Luc - Fesseln der Vergangenheit
seinen blauen Augen auf, die plötzlich wieder fast schwarz wirkten. »Du hast nichts gelernt und nichts begriffen. Vielleicht bringt es dich zum Nachdenken, dass ich dich überhaupt nicht mitnehmen wollte.«
Wie von einem unsichtbaren Schlag getroffen, taumelte sie zurück, aber Luc drehte sich auf dem Absatz um.
»Chris, Timothy, Aufbruch in spätestens einer halben Stunde«, rief er seinen Männern zu und seine Stimme verriet nichts von der Wut, die sich in seinem Blick und seiner ganzen Körperhaltung widerspiegelte, als er zu einem der Geländewagen ging.
Jasmin wusste nicht, was Alima und Hamid von ihrem Gespräch mitbekommen hatten. Jetzt eilte Hamid auf sie zu, begnügte sich aber mit einem vernichtenden Blick in ihre Richtung und lief weiter zu Luc. Jasmin hörte noch, dass sich Luc für den unerwartet frühen Aufbruch und das entgangene Essen entschuldigte, dann brach ihre Beherrschung zusammen und sie rannte davon.
Erst als sie stolperte und im letzten Moment einen Sturz verhindern konnte, stoppte sie und lehnte sich gegen einen der Felsen. Vor ihr lag Hamids privates Badehaus. Warum hatte sie ausgerechnet diesen Weg wählen müssen? Das Gebäude schien sie mit der Erinnerung an die Zeit mit Luc zu verhöhnen.
Wieder flossen Tränen über ihre Wangen und sie sank zu Boden. Früher war sie mit ihrem Leben zufrieden gewesen. Jetzt, wo sie wusste, was sie verlor, war der Schmerz unerträglich. Ohne Vorwarnung wurde sie hochgezogen. Einen Augenblick durchzuckte sie eine wilde Hoffnung. Luc! Aber es war Hamid, der sie fest umarmte und den es nicht zu stören schien, dass sie sein T-Shirt durchweichte.
Vergeblich versuchte sie, sich zusammenzureißen. Stattdessen weinte sie heftiger. Beruhigend streichelte Hamid ihr über den Rücken. »Du hast in den letzten Jahren zu viel alleine durchgemacht. Lass es raus.«
Zwischen ihren schluchzenden Lauten brachte sie Lucs Namen hervor. Hamid drückte ihren Kopf gegen seine Schulter. »Er ist weg. Genau, wie du es wolltest.«
Die ruhige Feststellung ließ sie aufstöhnen, brachte aber auch ihren Trotz zum Vorschein. »Er wollte doch das Gleiche. Hat er jedenfalls gesagt.«
Erst jetzt registrierte sie, wie sehr seine Reaktion sie verletzt hatte, obwohl sie ihm sein Verhalten kaum vorwerfen konnte.
Hamid schüttelte den Kopf, schob sie ein Stück von sich und betrachtete sie wie ein aufsässiges Kind. »Was hast du eigentlich von ihm erwartet? Keiner von uns hat die letzte Nacht auch nur eine Minute Schlaf bekommen, bei ihm kam zusätzlich hinzu, dass er vor Angst um dich fast durchgedreht wäre. Trotzdem hat er es geschafft, dass jeder von uns jetzt als Gewinner dasteht – nur er selbst nicht. Er hat vieles gegeben und nichts dafür bekommen. Du hättest ihm mehr geschuldet als so einen hässlichen Abschied.«
Die Wahrheit in Hamids Worten traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie wollte sich verteidigen. Ihm von Meltons Drohungen erzählen und ihrer Angst um Luc, brachte jedoch keinen Laut über ihre Lippen.
»Alima hat sich einiges zusammengereimt, aber das entschuldigt nichts. Selbst wenn du glaubst, dass deine Nähe ihn in Gefahr bringt, hast du kein Recht, alleine Entscheidungen zu treffen, die euch beide betreffen. Außerdem beleidigst du ihn und seine Fähigkeiten damit. Er hat doch nun wirklich oft genug bewiesen, dass er weiß, was er tut. Wach auf, Jasmin, er ist kein unmündiges Kind, sondern ein SEAL und dazu ein ranghoher Offizier.«
»In Baghlan hat Melton uns auch überrascht und Sam und Wolf wären fast umgekommen.« Dagegen konnte er nichts sagen, aber Jasmin freute sich über ihren winzigen Sieg nicht. Ein anderer Punkt schmerzte zu sehr. »Wieso wollte er mich nicht mitnehmen?«
Wieder ein Kopfschütteln, als ob sie ein trotziges Kind wäre. »Ich verstehe euch Frauen nicht. Aber die Antwort wirst du von mir nicht bekommen, nur so viel: Er hätte mit dir geredet und dir eine faire Chance zur eigenen Entscheidung gegeben. Jetzt komm mit. Unser Abendessen wartet.«
Als Alima sie mit deutlicher Missbilligung empfing, wurde ihr klar, wie absurd die Situation war. Die Sympathien ihrer afghanischen Familie galten Luc. Noch vor wenigen Tagen wäre das undenkbar gewesen.
Auch Kalils Blick war kühl, als er auf das Sitzkissen neben sich deutete. »Darüber reden wir noch, Schwesterchen.«
Sie brachte keinen Ton hervor und räusperte sich. »Ich dachte, dass er in Gefahr wäre, wenn ich … Melton hat gesagt … « Sie stotterte herum wie ein
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