Luc - Fesseln der Vergangenheit
klappte auf. »Natürlich kannten die sich. Ich dachte, Munir wäre tot! Es gab zwar immer wieder Gerüchte, aber … «
Warnend hob Luc eine Hand. »Stell mir keine Fragen, auf die ich selbst die Antworten nicht kenne. Wir akzeptieren gewisse Grenzen, ehe wir Probleme miteinander bekommen.«
»Die Überraschungen mit dir nehmen kein Ende. Ich hätte nie gedacht, dass ich Warzai eines Tages dankbar sein werde, dass er dich hier zurückgelassen hat. Aber genauso ist es. Ohne dich wäre mein Bruder tot und auch Warzai würde weiter sein Unwesen treiben. Ich schulde dir einiges, mein Freund.«
»Das sehe ich anders. Du hast dafür gesorgt, dass Jasmin mich versorgt hat und bist später auch nicht dazwischengegangen, als es ernst mit uns wurde. Nach meiner Logik schulde ich dir etwas.«
»Geht das schon wieder los? Wir wollen uns entschuldigen und dann nie wieder über den ganzen Mist reden.«
Kalils aufmüpfiger Ton passte nicht im Geringsten zu der avisierten Entschuldigung, sein Freund Azad interessierte sich hingegen auffallend für den steinigen Boden vor ihren Füßen.
Jedes Zeichen von Belustigung erstarb in Hamids Miene. »Ohne Lucs Hilfe wäre Kalil jetzt tot. Eure guten Absichten interessieren nicht, das Ergebnis zählt, und das sieht für euch vernichtend aus. Für Azad spricht, dass er am schnellsten von uns allen durchschaut hat, wieso Melton über uns und unsere Pläne informiert war. Aber was hätte gegen eine Vorwarnung gesprochen? Ihr habt verdammt viel vorausgesetzt, und das hätte schiefgehen können. Über Azad habe ich keine Befehlsgewalt, aber du, Kalil, wirst dich in den nächsten Tagen darum kümmern, dass Warzais Männer und ihre Familien hier eine neue Heimat finden. Danach kannst du dafür sorgen, dass wir Kontakt zu Murat bekommen. Da Besuche ausscheiden, wirst du dir etwas anderes überlegen.«
»Aber es kann Wochen dauern, ehe ich … «
»Na und? Es wird auch Wochen dauern, ehe Murat wieder vernünftig laufen kann. Ich habe Zeit und du wirst Geduld lernen. Alternativ kannst du dich gerne Khaled anschließen und nach Kunduz umsiedeln.«
Hilfe suchend sah Kalil Luc an, der jedoch abwehrend die Hände hob. »Nicht meine Baustelle. Außerdem hat er recht, insbesondere in Bezug auf Azad.« Lucs finsterer Blick ließ Azad die Schultern hochziehen, aber er war noch nicht fertig mit ihm. »Woher hast du die Gewissheit genommen, dass ich Hamid nicht wirklich festnehme? Du hast mit hohem Risiko gespielt. Auch wenn es gut gegangen ist, solltest du zukünftig erst nachdenken und dann handeln.«
Der Boden schien plötzlich seine Anziehungskraft für den jungen Afghanen verloren zu haben, ohne mit der Wimper zu zucken erwiderte er Lucs Blick. »Du kannst davon ausgehen, dass ich mir überlegt habe, was ich tue. Ich war sicher, dass du und Hamid die richtigen Rückschlüsse ziehen würdet, und dann darf ich dich vielleicht daran erinnern, dass du unser Telefonat beendet hast, ehe ich dich warnen konnte.«
Die Unverfrorenheit nach der zuvor gezeigten Verlegenheit brachte Luc zum Grinsen. »Wir belassen es dabei.«
42
Jasmin hatte die Gespräche der Männer aus sicherer Entfernung verfolgt. Den Impuls, Luc keine Sekunde von der Seite zu weichen, hatte sie erfolgreich unterdrückt. Er hatte einiges zu organisieren gehabt. Hektische Gespräch und Telefonate wechselten sich ab, und erst als der Hubschrauber abgehoben hatte, war Ruhe eingekehrt. So sehr sie sich jetzt auch wünschte, mit ihm alleine zu sein, es war einfach sinnvoller, ihm auszuweichen.
Alima gab jedoch nicht auf. Jetzt zupfte sie an Jasmins Ärmel. »Ich will jetzt wissen, was los ist. Wenn du nicht endlich redest, gehe ich zu Hamid und Luc.«
Die Drohung wirkte. Jasmin wirbelte herum. »Das wirst du nicht tun.«
Die Unterlippe zwischen ihren Zähnen, was ihr das Aussehen eines jungen Mädchens gab, und die Augenbrauen zusammengezogen, schwieg Alima, dann nickte sie. »Es war dieser Amerikaner. Was hat er zu dir gesagt, ehe Scott ihn von dir weggezogen hat?«
Luc hatte von dem Vorfall nichts mitbekommen und das sollte auch so bleiben, aber dafür musste sie Alima im wahrsten Sinne des Wortes zum Schweigen bringen.
»Nichts Wichtiges.« Das traf es nicht im Geringsten. Mit wenigen Worten hatte der Mistkerl ihre gesamte Zukunft zerstört, als er ihr höhnisch erklärt hatte, dass die Angelegenheit noch lange nicht vorbei war. Ihr war schon vorher klar gewesen, dass er einflussreiche Hintermänner haben musste, aber seine
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