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Luc t'a pan - Teil 1 (German Edition)

Luc t'a pan - Teil 1 (German Edition)

Titel: Luc t'a pan - Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Wand
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diese Zweifel bis an den Rand seiner endgültigen Verwandlung, die sein vorzeitiges Ende besiegelt hätte. Doch letztlich fand er Zugang zur entscheidenden kristallinen Struktur in seinem Innern, in der die Lösung eingebettet auf ihn zu warten schien. Und wieder bewahrheitete sich das erste Gebot des Cap z'oc tual-tig , des Blocks aus Turmalin - ihres ersten Heiligtums - das ihnen ihr Gott Tör´ö te k´lan als Quelle der Weisheit geschenkt hatte.
  Alles ist in Euch und Ihr seid Alles.

  Die Schwärze der Nacht schlug mit der Geschwindigkeit eines Wimpernschlages über ihm zusammen. Doch diese Nacht war nicht für den Schlaf gemacht. Diese Nacht findet ihre Erfüllung im Leben. Dem nur alle hundert Jahre stattfindenden Ereignis der Geburt eines Törötönösen.
  Nur die Mitglieder der Siebenundzwanzig kannten den Zeitpunkt und den jeweiligen Ort dieses Wunders. Trotzdem hatte noch keiner seiner Spezies dem Schauspiel beigewohnt. Ihr Cap z'oc tual-tig verbot es ihnen. Niemand würde die Regel brechen. So wie noch niemand seines Volkes jemals eine Regel gebrochen hatte.
 Außer ihm.
 Und heute Nacht würde er es wieder tun.

 Viktor Sedlaczec kauerte unter einem Felsvorsprung, der ihm nur bedingt Schutz vor der Russenpeitsche, wie er die eiskalten Stürme in den Bergen dieser Gegend gerne nannte, bot.
 Diesmal war ihm das Lachen jedoch vergangen.
 Er hatte durch eine Unachtsamkeit beim Abstieg an einer Kante seinen Halt verloren, war unglücklich gestürzt und sich dabei den Knöchel seines rechten Beines verstaucht, vielleicht auch mehr. Durch die Verletzung im Tempo derart stark behindert, überraschte ihn die Nacht. Zum ersten Mal verfluchte er sich für seine Alleingänge, die in den letzten 32 Jahren immer ohne Komplikationen verlaufen waren. Morgen wollte er seinen 50. Geburtstag inmitten seiner besten Freunde verbringen und hatte sich mit dieser Tour bereits sein eigenes Geschenk gemacht. Doch nun hegte er größte Zweifel, ob er diesen Tag überhaupt noch erleben würde.
 Sedlaczec kauerte wie ein Regenwurm im Wasserbad an der Felswand, um dem Sturm möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Trotzdem drängte die Kälte unerbittlich unter seine Kleidung. Er spürte seine Zehen nicht mehr. In seiner Verzweiflung löste er die Schnürsenkel seiner Bergschuhe und massierte seine Gliedmaßen durch die Socken hindurch, in der Hoffnung, die Blutzirkulation anzuregen. Als er so sein verletztes Bein bearbeitete, schrie er auf. Die Schmerzen zuckten als grelle Blitze vor seinen Augen. Verblassten. Zuckten erneut.
 Da bemerkte Viktor Sedlaczec, dass es keine Blitze waren, sondern ein Pulsieren. Ein Pulsieren von Licht, das von der Ebene dreißig Meter unter ihm heraufströmte. Es wechselte im Rhythmus eines schlagenden Herzens seine Couleur, während Teile davon scheinbar zeitweise im Schnee versanken. Ein Leuchten aus dem Innern einer menschenähnlichen Gestalt, die aus Glas zu bestehen schien. Ein Block aus Farben, der seine gewaltige Masse durch den Schnee pflügte.
 Und er bewegte sich unaufhaltsam auf ihn zu.
  Das kann nicht sein, ich halluziniere ...

  Plötzlich verlor der Sturm an Stärke, als hätte ein Unbekannter irgendwo im Universum den Schalter an der göttlichen Windmaschine umgelegt. Das Schneetreiben verebbte. Die Wolkendecke machte dem Firmament Platz, sodass der Mond seine Milch über die Erde goss. Die Schritte des Verbannten verkürzten sich, er verlangsamte das Tempo. Sein Blick wanderte über die Ebene vor ihm.
  Alles ist vorbereitet. Rein und unschuldig warten die Elemente auf das Zeichen, sich aus der weißen Mutter zu erheben, wie uns das Buch der Weisheit lehrt. Denn nur aus der Summe kann das Einzelne hervorgehen.
  Schließlich blieb er stehen. Beruhigte sich und damit auch das Pulsieren in seinem Innern, das zu einem winzigen Lichtpunkt zusammenfiel.
  Konzentriere dich.
    Er beugte sein Haupt.
 „Konzentriere dich, Luc t' a pan.“
 Es war schon lange her, dass er seinen Namen gehört oder gar selbst ausgesprochen hatte.
  Luc t'a pan.
  Die erste Zeit nach seiner Verbannung brachte er es nicht einmal übers Herz, auch nur an seinen Namen zu denken. Er trug ihn stets mit Ehrfurcht und Hochachtung mit sich, doch nun hatte er ihn durch sein Verhalten entehrt.
  Luc t'a pan.
  Mehr als ein Name. Eine Legende. Fast schon eine Religion. Er, einer der direkten Nachfahren aus der Linie des Luc t'a gen, des ersten seines Volkes, geboren aus dem Licht des Tör´ö te

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