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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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ich so eine Vorstellung davon habe, aber ein starkes Beruhigungsmittel und umfassende Betäubungsmaßnahmen ließen mich nicht mehr klar denken.
    Jedenfalls fand ich mich irgendwann entkleidet in einem Krankenhausbett wieder, ohne mich auch nur im Ansatz daran erinnern zu können, wie es dazu kommen konnte. Und wie mir auffiel, musste ich wohl sogar eine Zeitlang geschlafen haben, denn draußen hatte bereits die Dämmerung eingesetzt.
    Mein linkes Auge, oder besser - dessen verbliebene Höhle - war verbunden, mein rechtes sah sich im Zimmer um.
    Mein Bett war nur durch rollbare Schiebewände von anderen Betten getrennt. Und es war recht ruhig. Irgendwo ein Atmen, wie im Schlaf - sonst nichts. Zu ruhig für eine Notaufnahme, fand ich.
    Schmerzen hatte ich keine, aber vermutlich war ich so zugedröhnt mit Medikamenten, dass das auch kein Wunder war.
    Ich griff nach der Klingel und schon nach kurzer Zeit kam der Stationsarzt in Begleitung einer Schwester.
    Ja - man habe mein Auge entfernen müssen, erfuhr ich dann, und - ja - innerhalb der Augenhöhle gäbe es Verletzungen, die aber als geringfügig eingestuft worden wären.
    Geringfügig? Augenhöhlenverletzung...
    Man habe mir ein cortisonhaltiges Antibiotikum verabreicht, wie auch ein Mittel gegen Schmerzen.
    »...Das ist jedoch nur zur Vorsorge. Dein Körper ist jetzt in Aufruhr. Immerhin hat er gerade ein Auge verloren. Aber die Nervenbahnen, die Schmerzen verursachen könnten, gibt es so nicht mehr ...« Die Stimme des Arztes hatte trotz seiner Wortwahl eine beruhigende Wirkung auf mich, die durch all die bunte Watte in meinem Kopf bis zu meinem Bewusstsein vordrang. »...Dennoch musst du in der nächsten Zeit verstärkt mit plötzlich auftretenden Kopfschmerzen rechnen.« Er lächelte freundlich in meine verbliebene Pupille. »...Du hast einen Schock erlitten. Darum behalten wir dich zur Beobachtung hier. Aber schon morgen wirst du einem Spezialisten vorgestellt. Der wird dir deine Fragen beantworten, und er weiß auch am besten, wie man dir jetzt helfen kann.«
    Ich nickte müde und wollte plötzlich nur noch alleine sein.
    »Sollen wir jemanden benachrichtigen?«
    Ich gab ihnen meine Telefonnummer, an die ich mich tatsächlich erinnern konnte. Etwas Besseres fiel mir in dem Moment nicht ein, und das war es dann auch. Kurz danach versank ich in einen tiefen traumlosen Schlaf.
     
    Glasaugen waren für mich bis dahin eine Skurrilität. Vollkommen faszinierend, aber auch etwas morbid. Das sah ich nun mit einem Male etwas anders.
    Meine Situation hatte etwas Monströses für mich.
    Denn das Morbide war nun ich, war meine Augenhöhle, nicht das Glasauge.
    Glasaugen waren Gottesgeschenke. Eine brillante optische Täuschung, wenn man so will.  
    Sie sind aber auch Kunstwerke. Vollendete Imitationen, verblüffend lebensecht und präzise bis in die kleinste Ader. Sie können einen ansehen . Schräg, oder?  
    Bis es jedoch soweit war, verging aber noch einige Zeit.
    Die Augenhöhle musste erst abheilen, sich mit ihrer neuen Situation zurechtfinden.
    Und ich mich mit ihr. Also lebte ich die ersten Wochen mit einem Verband, der regelmäßig und vor allem fachgerecht erneuert werden musste.
    Irgendwie erinnere ich mich an diese Zeit nur schlafwandlerisch.
    Da waren überdimensionierte Wattestäbchen, die da hinein wanderten, wo eigentlich kein Platz für sie sein durfte. An ein kühles Gefühl, wo es nie zuvor Kälte gegeben hatte, an ein neu wachsendes Empfinden dafür, welche enorme Tiefe mein Schädel hatte und welche Schönheit diesem bunt gesprenkelten Gallert zugesprochen werden musste.
    Hinzu kam, dass vieles organisiert, vieles entschieden werden musste. Zum einen bezüglich meines Auges, zum anderen stellte sich die Frage, wie es mit meinem Job weitergehen würde.
    Natürlich konnte ich auch einäugig kochen. Es war verblüffend, mit welcher Geschwindigkeit ich mich daran gewöhnte, mit weniger Blickfeld zurecht zu kommen. Und schnell wurde klar - auf lange Sicht stellte die Einäugigkeit kein Problem dar.
    Zumindest kein praktisches.
    Aber sie veränderte mich.
    Zunächst mal war da die alles überstrahlende, abgrundtiefe Angst, mein zweites Auge auch noch verlieren zu können.
    Mein 'Ersatz' war jetzt flöten. Alles weitere würde Blindheit zur Folge haben.
    Und wenn ich auch nie zuvor Angst davor gehabt hatte - nun war sie da.
    Und wie!
    Dieser Gedanke, diese Furcht war nicht mehr aus meinem Kopf zu bekommen. Im Gegenteil - sie wuchs und ging soweit, dass es

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