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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Problem: Lorenzo kam nicht mit Shiro klar.
    »Er beobachtet mich die ganze Zeit...«, beschwerte er sich bei mir, als unser Neuzugang mal nicht in der Küche war. »...Wieso beobachtet der mich die ganze Zeit? Was soll das?«
    »Ich weiß es doch auch nicht, aber mit mir macht er es genau so. Es hat nichts mit dir zu tun. Es ist so ein Tick von ihm.«
    »Aber es nervt mich. Ich habe ständig seine Augen im Rücken.«
    »Das bildest du dir nur ein.« Doch ich wusste, dass er Recht hatte. Shiro war ein sehr aufmerksamer Beobachter, und seine Augen verfolgten mit einer unerklärlichen Ruhe alles, was um ihn herum geschah. Ich hatte mich langsam daran gewöhnt, aber Lorenzo weigerte sich, das zu tun. Er sträubte sich, in irgendeiner Form auf Shiro zuzugehen.
    Das verbesserte die Lage nicht gerade.
    Am deutlichsten wurde das ganze Dilemma bei unseren täglichen Mittagessen.
    Mal abgesehen von Anna, die von all den Stimmungen scheinbar einfach nichts mitbekam und unbeschwert ihren üblichen Film abspulte, schaufelten wir mürrisch schweigend Risotto, Pasta oder Salat in uns hinein und versuchten wegzuhören, wenn Antonio wieder eine seiner jammervollen Litaneien von sich gab, während Renzo mürrische Blicke Richtung Shiro abfeuerte.
    Die einzige, die halbwegs die Ruhe bewahrte, war meine Mutter.
    Und sie war es auch, die dann und wann in der Lage war, zumindest Antonio zu stoppen.
    Ein scharfes 'Es reicht jetzt!' brachte ihn tatsächlich meist zum Verstummen. Da sie sich aber selten in der Küche aufhielt, half uns das recht wenig.
    Shiro tat mir fast leid. Er musste den Eindruck haben, bei einem Haufen Irrer einquartiert worden zu sein. Aber an seiner Art war nicht zu erkennen, ob er sich unwohl fühlte oder nicht. Irgendwie berührte ihn unser momentanes Familiendrama nicht im Geringsten. Weder war er freundlich noch unfreundlich. Er wirkte eher teilnahmslos bis gleichgültig. Er antwortete, wenn man ihn etwas fragte, aber ansonsten hielt er sich aus Gesprächen raus und schien seinen Gedanken nachzuhängen. Auch die zaghaften Versuche von Valentina und Rebecca, ihn gewissermaßen zu integrieren, schlugen fehl.
    Ich fragte mich, ob er unglücklich war, aber ich fand keine Antwort. Sein Verhalten ließ einfach keine Schlüsse zu.
    Und das sage ich als derjenige, der noch am meisten mit ihm zu tun hatte. Das lag zum einen natürlich daran, dass wir auf Gedeih und Verderb auf einander angewiesen waren - danke nochmal Antonio - zum anderen waren wir aber auch fast gleich alt. Alle gingen wohl wie selbstverständlich davon aus, dass das reicht, um miteinander klarzukommen. Aber irgendwie stimmte es ja auch.
    Das hatte zum Beispiel der zweite Tag gezeigt. Jener, als wir Shiros Roller aus Ancona abholten.
    Ich hatte sehr früh am Morgen mit den Vorbereitungen begonnen, um genug Zeit dafür zu haben. Als ich damit durch war und Anna mit ihrer penetranten Bettelei, uns unbedingt begleiten zu wollen, abgewimmelt hatte, ging ich hoch zu Shiro.
    Er lag auf dem Bett, hörte irgendwelche schräge Musik und war in das Schreiben einer SMS vertieft. Er hörte mich nicht reinkommen und erschrak, als ich plötzlich so unvermittelt im Raum stand.
    »Ich habe geklopft...«, sagte ich schuldbewusst, als wäre ich bei etwas ertappt worden.
    »Die Musik«, sagte er verstehend, klappte sein Handy zu und schaltete die Anlage mit einer Fernbedienung aus, die auf dem Bett lag.
    »Ich dachte, wir holen jetzt deinen Roller«, begann ich. »Jetzt ist Zeit dafür, und ohne Roller...«
    Shiro wusste so gut wie ich, dass man ohne Roller einfach nicht klarkam. Ich erledigte alles damit. Ob ich abends noch zum Strand fuhr oder einfach nur mal raus wollte, ohne Roller ging es einfach nicht. Und wenn er seinen sogar aus Perugia mit dem Zug mitgebracht hatte, musste es ihm ähnlich gehen.
    Ich sah an seinem Gesicht, dass er auch so dachte.
    »Ich habe mir das so überlegt, dass wir mit meinem hinfahren und dann mit beiden zurück...«, schlug ich vor. »Dann müssten wir bis halb fünf zurück sein.«
    Shiro nickte und angelte sich mit seinem rechten Fuß eine Jacke, die am Bettende lag.
    Also starteten wir Richtung Ancona.
     
    Das Angenehme an der Strecke ist: Sie führt an der Küste entlang. Das Unangenehme ist der Verkehr. Mit dem Roller war das zwar nicht so das Problem. Man konnte die endlosen Autoschlangen einfach umfahren, aber das erforderte Konzentration. Es gab zwar auch eine schöne Strecke, die über die Berge führte, aber sie dauerte

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