Luca's Rezepte
Anspannung von mir wich. Ich freute mich, Renzo zu sehen. Es war schön. Ich hatte ihn einfach gerne, und endlich machten wir mal wieder etwas zusammen. So! Mehr nicht.
Ich folgte ihm schließlich durch eine verwirrende Anzahl von Gängen und Etagen, bis wir vor einer zweiflügligen Stahltüre stehen blieben.
»Die Möglichkeiten, die ich hier habe, sind fantastisch...«, schwärmte er glücklich, während er einen überdimensionierten Schlüsselbund aus seiner Tasche zog. »...Du wirst sehen...«
Als er die Türe öffnete verstand ich, was er meinte.
Das Studio hatte eine Dimension, die sich in Privaträumen niemals realisieren ließ, sowohl was die Höhe als auch die Tiefe des Raumes betraf. Irgendwie erinnerte mich das Ganze einerseits an das Technik-Set oben im Kloster, nur, dass man meine Küche kurzerhand ausgebaut hatte, andererseits an jene Turnhalle, in der wir Kinder im Winter Brennball gespielt hatten.
Überall lagen Kabel, standen unterschiedlichste Stative und rollbare Hintergründe hingen in unterschiedlichen Abständen von der Decke herab. Die Scheinwerfer waren hier durch aufwändige Blitzanlagen ersetzt und anstelle von Film- waren es Fotokameras, die auf den Stativhalterungen aufgeschraubt waren. Ein perfektes Studio eben.
Lorenzo durchmaß mit großen Schritten den Raum und ließ über eine Kette einen kalkweißen Hintergrund von der Decke herab.
»...Für diese Serie brauche ich ein möglichst kaltes, klares Weiß... Zieh dich schon mal aus.«
Da ich keine Jacke mit hatte, wusste ich nicht, was er meinte. Also stand ich unschlüssig rum und wartete auf weitere Anweisungen.
»Luca, zieh dich bitte aus und stell dich auf das weiße Papier da drüben...«
«Wie... ausziehen? Ich denke, das werden Porträts...« Als er meine Irritation bemerkte, lachte er zunächst, doch dann schlug er sich gegen die Stirn.
»Ich hab dir mein Konzept noch gar nicht erläutert, stimmt’s?«
Ich nickte besorgt.
»Ich habe es so vielen erklärt, da... Natürlich werden das Porträts. Die Idee dahinter ist, dass ich die Gesichter der Menschen abbilde, während sie nackt sind. Das schafft im Ergebnis eine unglaublich intensive Verletzlichkeit. Deine Augen sprechen ganz anders mit mir, wenn sich sie sicher fühlen können. Und bekleidet sind wir 'sicher'. Nacktheit symbolisiert Verletzlichkeit, und diesen Ausdruck, genau den möchte ich einfangen und nach außen bringen. Verstehst du?«
Ich verstand durchaus, und ich fand seine Idee auch grandios, aber mir behagte der Gedanke nicht, Lorenzo nackt zur Verfügung zu stehen.
»Also zieh dich aus«, forderte er mich erneut fröhlich auf. »...Danach lad ich dich zu ‘nem Caffè ein, okay?«
Whow, ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte.
Also ließ ich die Hüllen fallen und taperte, wie verlangt, auf das weiße Papier, wo ich der Dinge harrte, die da kommen sollten.
Lorenzo in Aktion zu sehen, das hatte schon was. Bislang kannte ich nur seine Arbeiten, nicht aber die Energie dahinter. Mit unglaublich zielstrebigen, klaren Bewegungen hantierte er mit Licht und Kamera, versunken und dennoch präsent. Und er gab mir nicht das Gefühl, überflüssig dort rumzustehen, sondern bezog mich in sein Tun mit ein, indem er erläuterte, warum er was gerade tat, wie ein guter Zahnarzt.
Es war irgendwie wunderbar, ihm zuzusehen, mit welcher Intensität er begann, mein Gesicht mit seiner Kamera zu scannen, er um mich herumschlich und auf den richtigen Ausdruck meiner Mimik, meines Auges wartete, es war geradezu erregend...
Verdammt, das war es wirklich ...
Und ich wusste vor plötzlich aufkeimender Panik zunächst überhaupt nicht was ich dagegen tun sollte.
Meine Fantasie war einfach mit mir durchgegangen.
Scheiße, scheiße, scheiße ...
Dann fiel mir siedend heiß ein Trick aus früherer Zeit ein, einer, der mich bislang immer gerettet und es seither zuverlässig geschafft hatte, ein unerwünschtes Maß auf ein vertretbares zu reduzieren.
Ich dachte einfach, mit aller Anstrengung, an die fette Signora Endrizzi aus der Nachbarschaft, deren Schweiß penetrant nach alten aufgeschnittenen Zwiebeln roch. Die also jagte mich splitternackt um ein Tisch und - Zack - war das Problem gelöst.
Und mit unendlicher Erleichterung stellte ich fest, die Endrizzi, die tat immer noch ihren Dienst, wenn es nötig war.
Danke Signora, vielen Dank.
Ob Lorenzo irgendwas von diesem auf und ab an und in mir bemerkt hatte, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Wenn ja, dann
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