Luca's Rezepte
mir auch die Rezepte zuschicken...«
»Ist nicht dein Ernst...?« Ich war gerührt.
»Und ob. Mama würde mich umbringen wenn ich das nicht täte...«
»Und du kochst...?«
»Ja, noch nicht lange...« Er klang bescheiden.
»Kalbsleber also?«
»Genau...«
Ich sagte ihm das Rezept.
Sie waren wirklich interessiert - das war es, glaube ich.
Aber klar, es kam auch vor, dass ich einfach allein sein wollte. Die Drehtage waren anstrengend, und in der Mitte der Woche erreichte mich meist so etwas wie ein Formtief.
Dann zog ich mich zurück, um etwas fernzusehen, zu telefonieren oder Musik zu hören.
Wie mit all meinen Jobs, so wurde auch das Kochen vor der Kamera bald zur Routine. Aber es langweilte mich nicht, dafür war einfach immer zu viel los, um mich herum.
Es machte verdammt viel Spaß.
Ganz anders sah es da mit der Zeit zwischen den Drehtagen aus. Sie begannen mich anzuöden.
Darum hatte ich mich dazu entschieden, mindestens einmal in der Woche im Carciofi zu kochen.
Es tat gut, mal wieder in einer richtigen Restaurantküche mit meinesgleichen zu arbeiten. Unter ganz normalen Voraussetzungen. Außerdem wirkte sich mein Einsatz positiv auf Luisas Geschäfte aus. Ein weiterer Vorteil: Ich lernte viel. Mir fehlte nach wie vor die Erfahrung, im Team zu arbeiten. Im D ’Agosta war ich fast die ganze Zeit über auf mich gestellt gewesen, Antonio sei Dank.
Luisa hingegen arbeitete nach einer ganz anderen Philosophie.
Sie kochte 'weiblich'. Davon konnte ich nur profitieren. Grundlage ihrer Arbeitsweise war, dass man aufeinander achtete, und dass die zu leistende Arbeit möglichst gleichwertig auf alle Schultern verteilt wurde.
Dies war meiner Ansicht nach nicht immer von Vorteil und ging ab und zu auch auf Kosten des Timings, aber für das Klima in der Küche, noch dazu einer so kleinen, beengten wie dieser, war es Gold wert. Ein Mittelweg war vielleicht das Ideale.
Arbeitete ich im Carciofi, so bat Luisa im Anschluss, mich bei den Gästen blicken zu lassen.
Okay - in der gehobenen Gastronomie war es Usus, sich als verantwortlicher Koch davon zu überzeugen, dass alles nach Wunsch gelaufen war, aber darum ging es in meinem Falle nicht.
Ich war nicht der Chef de Cuisine, ich war die »Attraktion«. Meine Auftritte katapultierten das Carciofi im Bekanntheitsgrad nach ganz oben, denn das Publikum - und in diesem Moment war es 'Publikum' - liebte meine Auftritte.
Immer, wenn ich auf Luisas Wunsch den hocheleganten, mit Seide bespannten Speiseraum des Carciofi betrat, buntäugig logischerweise, empfing mich ein wohlwollender Applaus, üblicherweise gepaart mit unverhohlener Neugier.
Autogrammwünsche blieben da ebensowenig aus, wie das für mich unbegreifliche Bedürfnis, mich einmal berührt zu haben.
Diese Form der Huldigung widerstrebte mir allerdings vom ersten Moment an, denn sie überschritt Grenzen. Und die Zeit sollte zeigen, dass ich einen geradezu radikalen Erfindungsreichtum entwickelte, um dem zu entgehen. Berühren durfte mich nun mal nicht jeder.
Mir selbst behagte der Rummel nicht besonders, aber auf diese Weise machte ich zumindest wieder 'was gut', bei Luisa.
Denn eins war klar für mich. Das Ende des 'Gusto-Caterings' war beschlossene Sache. Es ging einfach nicht mehr. Das belegten schon die Anfragen, die reinkamen. Ich musste damit beginnen, sehr sorgfältig auszuwählen, auf was ich mich einließ und auf was eben nicht. Ich musste beginnen, mich zu schützen.
Luisa und ich hatten bewusst entschieden, keinen bestimmten Tag für meinen wöchentlichen Einsatz festzulegen. Dadurch war das Carciofi in der Regel durchgängig ausgebucht.
So gut funktionierte ich mittlerweile als 'Produkt'.
Und dass Luisa an diesem Umstand verdiente, sollte mir nur Recht sein...
Im Herbst rang ich mich nach langem hin und her dazu durch, meinen Führerschein zu machen. Ich war mittlerweile 19, also stand dem eigentlich nichts im Weg.
Bis auf meine Einäugigkeit natürlich.
Zwar hatte ich mich mittlerweile völlig daran gewöhnt, es gab sogar Momente oder ganze Tage, an denen ich nicht daran dachte, aber im Straßenverkehr verhielt ich mich nach wie vor extrem passiv.
»Da musst du durch...«, prophezeite mir Pius wenig hilfreich, aber im Grunde hatte er ja Recht. Wie sollte man mir da helfen?
Unterstützung bekam ich dann jedoch von völlig unerwarteter Seite.
»Geh doch einfach mal ins Internet...«, riet Barbara zwischen Schweinebraten und Pils-Bier nach Drehschluss. »Ich weiß... das Wort
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