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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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    Es war der zweite Tag in Fano und es war mein erstes Zusammentreffen mit meinem Vater.
    Auch er hatte sich verändert, war kleiner geworden, eindimensionaler. Sofort spürte ich seine Unsicherheit mir gegenüber, ja, vielleicht sogar so etwas wie Furcht. Es fiel ihm sichtlich schwer, mir in mein Auge zu sehen, und sein früher so präsentes Gehabe zerbröselte innerhalb weniger Momente zu Nichts. Er wusste mir kaum etwas entgegenzusetzen, und von meiner Seite wiederum gab es nichts, was ich ihm sagen wollte.
    Doch im Gegensatz zu ihm fühlte ich mich dieser Begegnung gewachsen. Er war schwach, ich war stark. Die Karten waren neu gemischt.
    Nachdem ich dann das Bild entdeckt hatte, begriff ich...
    Dies hatte nichts mit mir zu tun. Es war wirklich wie immer. Ich diente einfach nur einem Zweck...
    »Die Zeit über, die ich hier bin, werde ich kochen...«, teilte ich ihm mit. »Du kannst das gerne zu Werbezwecken benutzen, wenn du willst. Das machen wir in Genova nicht anders...«  
    Ich sah die Augen meines Vaters größer werden und ich schämte mich für ihn. »Meine Bedingung ist, dass ich mit Rosalia koche und Tomaso für diese Zeit der Küche fern bleibt!«
    Er nickte ernst. »So entlaste ich die Familie, und ihr könnt euch in dieser Zeit um Mutter kümmern...«
    Wieder dieses Nicken. Und dann nahm er tatsächlich das Bild von der Wand. Wie ich es von ihm verlangt hatte. Nur, begriffen hatte er mit Sicherheit nichts...
     
    »Du kochst für ihn?« Lorenzo sah mich groß an. »Da tust du ihm aber einen großen Gefallen.«
    »Ich tue ihm keinen Gefallen, ich demütige ihn.«
    Dabei waren meine Vorsätze noch auf der Fahrt nach Fano ganz andere gewesen: Versöhnung, Zuwendung...
    »Du erschreckst mich ehrlich gesagt etwas, wenn du so redest.«
    »Tue ich das?«
    »Die Rache des Edmond Dantès, im schönen herbstlichen Fano...« Er grinste in mein fragendes Gesicht. »Der Graf von Monte Christo... Die Geschichte des Verrats an Dantès und sein unnachgiebiger Rachefeldzug. Ein Klassiker...«
    Wir saßen nach einer schlaflosen, sorgenvollen Nacht im ruhigen Patio, tranken Caffè, und ich rauchte.
    Osso lag träge zu unseren Füßen.
    Lorenzo ließ seinen Blick über die alten Steinwände wandern.
    »Ist es nicht eigenartig, wie vertraut einem dies alles hier ist, und gleichzeitig ist alles so fremd?«
    »Geht dir das auch so? Ich denke einfach, wir gehören hier nicht mehr hin.«
    »Das sehe ich genauso... Was sagst du zu Mutter?«
    Es war das erste Mal, dass der eigentliche Grund unseres Hierseins zwischen uns zum Thema wurde. Und es fiel offensichtlich nicht nur mir schwer, darüber zu reden.
    »Wir werden sie verlieren - sagt Rebecca«, fuhr Lorenzo fort, als ich auf seine Frage nichts erwiderte.
    »...Ich weiß nicht.«
    Wir sahen uns an, still, nachdenklich, traurig, miteinander verbunden...
    Ein vorangegangenes Gespräch mit meiner Schwester hatte endlich Klärung über die gesundheitliche Situation von Valentina gebracht.
    Sie litt an fortgeschrittenem Magenkrebs, hatte schon eine große Operation hinter sich und wurde nun, seit kurzem, mit Chemotherapie weiter behandelt. Das Problem war, dass man es zu spät herausgefunden hatte. Metastasen hatten sich überall im Körper ausgebreitet und so die Chance auf eine Heilung zunichte gemacht.
    Das wusste Valentina, das wusste die Familie, und nun wussten wir es auch.
    Ich sah durch den steinernen Torbogen auf die Straße hinaus, und vor meinem inneren Auge sah ich Lorenzo und mich, wie wir als Kinder jubelnd, heulend oder aufgeregt durch eben diesen uralten Torbogen gerannt kamen, um unserer Mutter irgendeine sensationelle 'Ungeheuerlichkeit' zu zeigen oder ihr einfach zu erzählen, was wir gerade erlebt hatten. Der Geruch der Straße, des Restaurants und vor allem der unserer Mutter, die immer ganz leicht nach frischer Verbene geduftet hatte - all dies wurde für mich an diesem Vormittag auf einmal lebendig und erfüllte mich ganz plötzlich mit einer wunden, unsichtbaren Trauer...
     
    Mit Shiro hatte ich schon am Abend zuvor Kontakt aufgenommen. Er bot an, sofort zu kommen, doch zum einen war das um diese Zeit überhaupt nicht machbar und zum anderen machte es auch überhaupt keinen Sinn. Setzte ich jetzt Tomaso auch noch Shiro vor die Nase, würde er wahrscheinlich komplett durchdrehen.
    Ich konnte verstehen, dass er in dieser Situation bei mir sein wollte, mir wäre es an seiner Stelle nicht anders ergangen, aber die Probleme, die daraus entstehen konnten,

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