Luca's Rezepte
unvergesslichen Empfang. Sie applaudierten herzlich, zogen mich fast mit Gewalt an ihre Tische und bestanden in jedem Fall darauf, mit mir zu trinken. Es wurde gelacht und gefeiert, es war eine Stimmung, wie ich sie im D ’Agosta nie zuvor erlebt hatte.
Irgendwann dann nahm ich aus den Augenwinkeln Antonio wahr, wie er dastand, das großartige Treiben in seinem Speisesaal beobachtete. Und ich erkannte, ja, ich spürte seinen Schmerz in diesem Moment. Wie gerne wäre er jetzt in den Mittelpunkt getreten, hätte sich stolz neben mich gestellt, mich in den Arm genommen und verkündet: Ja! Das ist mein Junge! Seht ihn euch an! Mein Junge!
Aber damit war es vorbei, und wenn ein Moment geeignet war, uns beiden das begreiflich zu machen, dann eben dieser, in unser beider Restaurant. Seinem, weil es ihm gehörte, und meinem, weil es irgendwie immer mein Traum bleiben würde, hier zu kochen, es zu besitzen, hier irgendwann der Maître de Cuisine zu sein.
So war es einfach. Eine befremdliche Erfahrung. Einmal die mit Antonio, aber auch die mit den Gästen.
Ich war jetzt so was wie prominent für sie, und so behandelte man mich eben auch. Früher hatten mir die meisten der Anwesenden einen Schlag auf den Hinterkopf gegeben, wenn ich auf der Straße nicht richtig gegrüßt hatte, und nun das...
Verrückte Welt...
»Sag mal...«, fragte Rosalina später, auf dem Hof, und ihre Neugierde war fast körperlich greifbar. »Wie ist das eigentlich alles gekommen, das mit dem Fernsehen und so?«
Es ging auf Mitternacht zu und das Gröbste war überstanden. Es galt jetzt nur noch ein paar Desserts rauszuschicken, und das hatte Gino übernommen.
Wir lehnten am Geländer der Kellertreppe, rauchten und tranken Bier.
»Mit viel Glück. Ich hatte die Chance, mich selbstständig zu machen und einer...«
»Keine Hotelfachschule?« Sie sah mich durchdringend an, als kenne sie die Antwort schon.
»...Das hat man euch gesagt? Hotelfachschule?« Ich musste lachen.
Sie nickte ernst. »Antonio...! Aber wir haben das nie glauben können. Wir alle nicht! Das passte vorne und hinten nicht zusammen...«
Plötzlich befand ich mich mitten in einer heiklen Situation. Nichts wäre einfacher für mich gewesen, die ganze Verlogenheit meiner Sippe mit wenigen Sätzen auf den Tisch zu bringen. Rosalia wartete nur darauf, aber wollte ich das?
Man hat mich gefragt - ich habe geantwortet, könnte ich sagen...
Es wäre so einfach. Aber irgendwie hatte diese Geschichte mit der Hotelfachschule auch etwas hilfloses, etwas unbeholfenes an sich, das mich berührte.
»Wir hatten einen schlimmen Streit...«, entschied ich mich zu antworten. »...Und ich fand, es war einfach besser zu gehen. Für beide Seiten war es besser...«
»Aber du warst doch noch ein Kind. Ich meine, du bist immer noch...«
»...Ein Kind? Nein! Das bin ich schon lange nicht mehr. Und ich war es, der darauf bestanden hat zu gehen. Antonio hat alles versucht, mich zurückzuhalten...«
In gewisser Weise stimmte es ja, was ich sagte.
»Ich konnte und wollte nicht mehr hier bleiben.«
»Hatte es was mit unserem Shiro zu tun?«
Es hätte mir klar sein müssen, dass sie eins und eins zusammenzählen würde.
Shiro zu verleugnen kam für mich nicht in Frage.
»Ja, hatte es...«, bestätigte ich daher.
»Verstehe...«, sagte sie leise und ich glaubte ihr. »Keine einfache Situation...«
»Nein. Keine einfache Situation...«
»Für niemanden...«
Ich nickte mechanisch und trank einen Schluck.
»Für niemanden...«
Als ich kurz nach eins durch das spärlich beleuchtete Treppenhaus die knarrenden Stufen hinauf in die Dachkammer stieg, überkam mich das Gefühl, all dies exakt genau so schon einmal erlebt zu haben. Nur mit dem Unterschied, dass sich nun in dem Bett, das mich dort erwartete, nicht Shiro, sondern mein Bruder Renzo befand.
Tja...
Das machte es nicht gerade einfacher für mich.
»Na? Wie ist es gelaufen...?« Er sah fragend von einem Buch auf, als ich die Tür leise hinter mir schloss.
»Es war ausgebucht, Rosalia war super, und geschmeckt hat’s auch allen... Was hast du erwartet?«
»Genau das... Alles wie immer...«
Ich setzte mich erschöpft an den kleinen Tisch und begann, mir die Schuhe auszuziehen.
»Wie ist das für dich, wieder hier zu sein?«, fragte ich Renzo, während ich mir die Füße massierte. »...Ich meine, ich koche ja und muss mich nicht mit der Familie rumschlagen...«
»Ich habe die meiste Zeit hier oben verbracht, oder bei
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