Luca's Rezepte
Shiro nackt vor dem Spiegel und putzte sich die Zähne. Als er sich zu mir drehte, strahlten seine Augen und ein schaumiger Mund lächelte mich glücklich an.
Sünde?
Schande?
Nein! Das hier war absolut in Ordnung. Und es war rein.
Immerhin - ich war nicht alleine damit.
»Du bist heute auffallend still, Kleiner.«
»Wie? Nein...«
»Machst dir Gedanken über Lorenzo, wie?«
»Ja«, log ich, »Schon möglich.«
Matteo und ich saßen in der Markthalle und tranken unseren obligatorischen Caffè. Die Einkäufe waren erledigt und verstaut, blieb also der gesellige Moment in der Bar. Nie zuvor hätte ich gedacht, darauf einmal verzichten zu wollen.
Schon der Morgen gestaltete sich schwierig. Ich hatte das Gefühl, vor allem von Valentina misstrauisch beäugt zu werden, und als sie mich irgendwann fragte, ob ich vielleicht Fieber hätte, da dachte ich für einen Moment, mir bleibt das Herz stehen.
Aber ich verneinte rasch, es sei alles bestens.
Wenn sie gewusst hätte wie 'bestens', wäre wahrscheinlich ihr das Herz stehen geblieben.
»...Das ist ein feiner Zug an dir.«
» Was? «
»Dass du dir Gedanken um Lorenzo machst. Ich denke, ihr seid euch näher, als ihr es wahrhaben wollt.«
Näher als ihr es wollt - traf es vermutlich besser, dachte ich, sagte es aber nicht.
Ich nickte, kippte meinen Kaffee hinunter und sah auf die Uhr über der Theke.
»Wir müssen...«, drängte ich, »...Um zwei kommt die alte Greca, um die Hühner vorbeizubringen.«
Matteo sah mich erstaunt an. »Aber die kann doch Tomaso entgegen nehmen.«
»Das macht er auch, aber ich bin mit den Fonds dran.«
»Mutest du dir nicht zu viel zu, Luca? Du musst doch auch mal Spaß haben.«
Ich muss ihn ziemlich groß angeguckt haben, denn ohne ein weiteres Wort zahlte er seinen Zettel an der Theke, und wir machten uns auf den Weg.
»Weißt du was?«, sagte er dann irgendwann auf der Rückfahrt und machte mir damit ein Riesengeschenk: »Heute kümmere ich mich um die Fonds. Unternimm du mal was. Denk mal nicht an die Arbeit. Geh mal raus. Fahr zum Strand oder so...«
Ich war platt. »Das würdest du tun?«
»Würd' ich’s sonst sagen?«
»Nein!«, lachte ich, »Würdest du nicht!«
Ich liebte meinen Großvater.
Die Folge von Matteos Geschenk war, dass Shiro und ich den Nachmittag miteinander verbringen konnten. Nichts hatte ich mir sehnlicher gewünscht.
Also packte ich uns einen Rucksack mit Wurst, Oliven, Käse, Obst und Wasser, schnappte mir meinen überrumpelten Japaner und wir fuhren gemeinsam in die Berge. Es gab da ein einsam gelegenes Flussbett hinter einer eindrucksvollen Schlucht, dessen herrlich klares Wasser um diese Jahreszeit einfach perfekt war. Das wollte ich Shiro zeigen. Und ich wollte mit ihm allein sein, was am Strand ausgeschlossen war, dort aber mit etwas Glück sogar möglich. Zumindest an der Stelle, die mir vorschwebte.
Und so war es dann auch.
Wir breiteten unsere Decken am seichten Kiesstrand aus und beobachteten schweigend, Schulter an Schulter, die Strömung des Wassers.
Es war ein besonderer Moment, ein seltener, kostbarer, stiller Moment, einer von denen, die sich tief ins Gedächtnis brennen.
Der Ort strahlte etwas aus. Da war der fast reißende, kristallklare Fluss, die zerklüfteten Felsen, alles wirkte schroff, irgendwie unberührt, die Luft war viel kühler, erfrischender als an der Küste, und doch war da etwas Weiches. Die Düfte des Waldes, die glatt gespülten Kiesel. Es war ein magischer Platz für mich. Und ich spürte, dass Shiro dies ähnlich empfand.
»Shiawase heißt glücklich...«, sagte er nach einiger Zeit. »...Das passt hier hin, finde ich.«
Und dann pflückte er neben sich eine Dolde wilden Fenchel, biss hinein und küsste mich.
Shiro wurde ein Koch. Das war mir jetzt klarer als je zu vor. Und ich war verdammt 'shiawase'.
Die kommenden fünf Tage und Nächte waren Achterbahn pur. Da war zum einen der jeweilige Tag, an dem es für uns hauptsächlich nur darum ging, ihn irgendwie schnell Richtung Nacht zu bringen, und da war die Nacht, die einfach nicht enden sollte, es aber viel zu schnell tat.
Ja, die Nächte. Sie waren in vielerlei Hinsicht wichtig in dieser Zeit. Und es war nicht nur der Sex, den wir hatten, der für mich aus dem Nichts heraus allerdings plötzlich immens an Bedeutung gewann. Es war vor allem auch der einzig verbleibende Zeitraum, in dem wir uns sehen konnten, ohne uns zu verstellen. Das machte die Tage so schwer und die Nächte
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