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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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machte mir mit einem Male klar, dass der Hochsommer dem Ende zuging. Komisch, die Jahreszeiten erkannte ich immer erst dann, wenn sie essbar vor mir auf dem Tisch lagen. Die Pilze kamen aus den naheliegenden Wäldern um Urbino und wurden von uns entweder naturell gebraten oder mit Pinot Gris, etwas Vermouth, Sahne und gehobeltem Parmesan auf frischen Tagliatelle angeboten. Dazu Knoblauch, Zwiebeln und reichlich Petersilie. Ein wunderbares Essen.
    Nachdem irgendwann der größte Ansturm vorbei war, ging ich auf den Hinterhof, um für einen Moment der Hektik der Küche zu entfliehen und meinen Rücken zu strecken.
    Zu meiner Überraschung saß da Matteo an unserem Pausentisch und rauchte eine seiner filterlosen Zigaretten, ein Glas Roten vor sich.
    »Na, Kleiner«, begrüßte er mich, »Wie läuft’s?«
    »Gut!«, antwortete ich einsilbig, aber ich sah schon am Blick meines Großvaters, dass er es dabei nicht belassen würde.
    »...Aber?«, fragte er auch prompt.
    »Es ist nichts.«
    »Aber du hast Probleme mit Lorenzo, ja?«
    Ich war verblüfft. »Woher weißt du das?«
    »Nun, ich sehe dich, ich sehe Lorenzo, und ich denke mir meinen Teil. Außerdem habt ihr heute so lautstark gestritten, dass das wohl jeder im Haus mitbekommen hat. Es war nicht zu überhören.«
    »Hat Renzo mit dir gesprochen?«
    »Nein. Aber Anna.«
    »Anna?«
    »Du bist ihr heute im Treppenhaus begegnet. Erinnerst du dich?«
    Ich erinnerte mich in der Tat, und es tat mir Leid.
    »Luca. Lorenzo ist unglücklich.«
    »Ja, ich weiß, aber wieso?«
    »Was braucht man zum Glücklichsein?«, fragte Matteo. »Was macht dich glücklich, Luca?«
    So sehr ich es auch gewollt hätte, ich konnte es ihm nicht sagen. Aber dass ich glücklich war, daran bestand kein Zweifel. Und das sagte ich ihm auch.
    »Nun gut...« Er nickte bedächtig. »Und was meinst du, macht Lorenzo glücklich?«
    Ich dachte darüber nach. »Seine Fotografie?«
    »Und sonst?«
    Es fiel mir nichts ein.
    Matteo nickte. »Siehst du? Das ist das Problem, das Lorenzo hat. Er kann nicht glücklich sein.«
    »Aber was habe ich damit zu tun?«, fragte ich trotzig. »Er nörgelt nur rum. Er ist unfair und aggressiv mir gegenüber. Und er lässt alles an mir aus...«
    »Bist du zu schwach, um das zu ertragen?«
    »Wie? Nein! Es ist nur ungerecht. Ich habe ihm nichts getan.«
    »Natürlich nicht. Niemand hier tut ihm etwas.«
    »Ja, und?« Ich klang aggressiver, als ich eigentlich wollte.
    »Vielleicht liegt da ja das Problem.« Und damit drückte er seine Zigarette aus, stand auf, griff sich seinen Wein und ging wieder nach oben.
    Na großartig. Jetzt hatte ich ein schlechtes Gewissen. Und ich wusste nicht einmal warum.
     
    »Du bist nüchtern.«
    »Stocknüchtern«, bestätigte ich mit einem Grinsen.
    »Das ist schön. Dabei hätt ich jetzt Lust auf einen Schluck.«
    »Oh ja, ich auch... große Lust...«
    Wir standen uns in Shiros Zimmer gegenüber, schon eine ganze Weile, beinahe regungslos und sahen uns an, zögerlich, neugierig.
    »Ich hab noch Martini.«
    »Großartig.«
    »Martini?«
    »Unbedingt...«
    Aber er rührte sich nicht, sah mich einfach nur an. Und ich ihn. Doch irgendwann, nach einer halben Ewigkeit, löste er seinen Blick aus dem meinen und begann die Gläser vom Morgen erneut zu füllen.
    »Bleib genau da, wo du bist!«, sagte er dabei, kam mit den gefüllten Gläsern zurück und nahm den Blickkontakt wieder auf.
    »Kein Eis?«
    »Kein Eis... Alles wie gehabt.«
    »Salute!«
    »Kanpai!«
    Wir tranken, ließen uns nicht aus den Augen und grinsten uns dabei an.
    Ein weiterer Schluck.
    Und dann... dann folgte ich einer Eingebung und strich ihm seine ewige Strähne aus der Stirn.
    »Und jetzt... bist du dran«, sagte ich leise.
    Shiro lächelte verstehend, strich mit seiner Hand vorsichtig über meinen Hals, und er küsste mich, ganz zart, ganz vorsichtig.
    Er schmeckte nach Martini.
    Und etwas nach Shiro.
     
    Als ich die heilige Kommunion 'empfing', sagte man mir, dass dies jener entscheidende Schritt sei, mich in eine Gemeinschaft einzufügen. So ähnlich zumindest wurde mir das seinerzeit vermittelt. Ich habe das damals nicht verstanden, und ich verstehe es bis heute nicht. Vermutlich, weil dies einfach bestimmt und nicht von mir entschieden worden war. Dazu kam, dass mir nicht einleuchten wollte, was eine pappige Oblate damit zu tun haben sollte. Mal ganz abgesehen davon, dass die Vorstellung 'Christi Leib' zu empfangen mich auch im übertragenen Sinn nicht gerade lockte.

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