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Luca's Rezepte

Luca's Rezepte

Titel: Luca's Rezepte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Glas Wasser ein, lehnte mich auf die Fensterbank und sah in die Nacht hinaus. Der Touristenlärm war im Laufe der letzten Wochen schwächer geworden. Ende der Sommersaison. Jetzt kamen mehr und mehr die älteren Semester, die die günstigere Nachsaison nutzten, um sich am Meer zu erholen. Ich mochte diese Zeit. Und diese Touristen.
    Osso lag im Hof und schlief. Da ich nach dem Grillen den Boden mit Wasser abgespritzt hatte, glänzte hie und da noch eine Pfütze. Es war eine schöne, milde Nacht. Ich war hellwach. Ein ganz leichter Wind strich über meine Haut und schickte einen angenehmen Schauer über meinen Rücken. Ich trank einen Schluck.
    Jetzt kam der Herbst. Ich konnte ihn riechen. Und ich liebte es. Der Herbst brachte Bewegung. Die Hitze war nicht mehr so lähmend, man konnte die Zeit draußen ganz anders nutzen, lange Strecken am Strand laufen, große Entfernungen mit dem Rad zurücklegen, ohne gleich total fertig zu sein, und auch die Arbeit würde leichter fallen.
    Ja, und ich könnte endlich...
    »Ganz in Gedanken...?«
    Ich fuhr erschrocken herum und da stand Shiro, mit nassen Haaren und wie ich, nur mit einem Handtuch um die Hüften.
    »Bist du verrückt?«
    »Ich sah das Licht unter deiner Tür, und da bin ich magisch wie eine Motte...«
    »Du kannst nicht hier sein.«
    »Aber klar kann ich, siehst du doch...«
    Ich konnte es nicht fassen »Und wenn sie uns erwischen?«
    »Und wenn wir ganz leise sind?«, flüsterte er. Seine Augen blitzen mich an. »Und sieh mal, was ich mitgebracht habe...« Erst jetzt nahm ich wahr, dass er in der einen Hand eine Flasche Wein und in der anderen unser Laken hielt.
    »Das ist zu riskant.«, sagte ich leise.
    »Das ist aufregend!«
    »Es ist zu riskant!«, wiederholte ich.
    »Das macht es ja so aufregend!«
    »Aber, Lorenzo...«
    »Hast du mitbekommen, dass ich rein gekommen bin?«
    »Nein, aber...«
    »Ja?« Er hob fragend seine Augenbrauen. »Ja?«, wiederholte er noch leiser und streckte mir dabei das Laken entgegen. Ich gab mich geschlagen und nahm es ihm ab.
    »Das ist irre«, versuchte ich es noch mal.
    »Ja! Irre aufregend!« Und dann biss er mir in mein rechtes Ohr.
    Ich wusste bis dahin noch nicht, wie sehr ich das mochte.
     
    Itamu ist im Japanischen der Begriff für Schmerz, Sekkusu der für Lust. Das lernte ich in dieser Nacht. Dies und noch viel mehr. Lautlos sein zu müssen, wenn man am liebsten aufschreien möchte, das hat eine ganz eigene Qualität.
    Shiro hatte Zähne, und er hatte Fingernägel, das erfuhr ich in dieser Nacht, und ich atmete wie ich noch nie zuvor geatmet hatte, ich wand mich, wie ich mich noch nie gewunden hatte, doch ich schwieg. Es faszinierte mich. Es irritierte mich, ich wollte, dass es aufhört und endlos weitergeht zugleich, es machte mich irre und ließ mich fast abheben.
    Süßer Schmerz, schmelzende Zärtlichkeit, zarte Hände, scharfe Nägel, weiche Lippen, beißende Zähne, Lautlosigkeit und Lärm in mir selbst. Rauschartig zogen Bilder vor meinem inneren Auge vorbei, voller Kraft, voll Energie, voll Farbe und dazu mein Atem, den ich kaum unter Kontrolle halten konnte, der still sein musste wie die Nacht. Es war unglaublich.
    Der Chianti im Anschluss holte mich langsam wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich saß erschöpft gegen die Wand gelehnt und trank den Wein wie Medizin, Schluck für Schluck, ohne ein Wort zu sagen. Ich war innerlich noch zu aufgewühlt. Shiro hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt und trank ebenfalls.
    »Es hat dir gefallen...«, stellte er flüsternd fest. Ich nickte, ohne zu wissen, ob er das sehen konnte, aber er spürte es sicher, er wusste es einfach.
    »Das war jetzt übrigens ziemlich japanisch.«, flüsterte er weiter.
    Ich trank und schwieg.
    Damit musste ich erst einmal klarkommen.
    »...Ich...«, setzte ich irgendwann an.
    Aber mir fielen nicht die passenden Worte ein, also lehnte ich einfach nur meinen Kopf gegen seine Schulter und entschied mich dafür zu schweigen.
     
    War ich normal? Diese Frage stellte ich mir am folgenden Tag. Die eindeutige Antwort lautete: Nein!
    Ich liebte Shiro. Aber war ich so verdammt abnorm?
    Ich kam drauf, weil es mir eigentlich wirklich gut ging. Ich war nicht nur glücklich, ich war fast schon euphorisch. Durfte das sein? Ich durchforstete mein Wissen und stieß auf einen Haufen Widersprüche.
    Zog ich die Lebensgrundlage meiner Mutter zu Rat, dann befand ich mich geradewegs auf dem Weg in die Hölle. Ihre Argumente in fast allen Bereichen unseres

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