Luca's Rezepte
wunderbaren Shiro kennen zu lernen.«
Ayumi lächelte verlegen, aber auch mit etwas Stolz, und dann folgte sie Rebecca.
Meine aufgeplatzte Oberlippe hatte aufgehört zu pochen, aber sie war fast auf ihre doppelte Größe angeschwollen. Shiros Verletzung war schlimmer. Das Sicherheitsschloss hatte einen tiefen Schnitt hinterlassen und seine Stirn färbte sich vom Aufprall an der Tür bereits blau. Aber er strahlte mich trotz seiner Lädierungen glücklich an. Und ich ihn.
Nun waren wir also wieder zuhause.
Ich war froh, dass es so war. Tomaso beruhigte Antonio, ich beruhigte Valentina, Matteo und Lorenzo organisierten Essen und Wein und irgendwann saßen wir alle zusammen um Tisch 7 im Restaurant, aßen Orchiette mit Hasenr agù , prosteten uns zu und hießen Ayumi Comero bei uns willkommen.
Ich sah zu Shiro und ich erkannte, wie froh er war, seine Mutter bei sich zu wissen. Immer, wenn sich ihre Blicke begegneten, leuchteten seine Augen vor Glück. Einmal sah sie auch zu mir und ihr Lächeln sagte mir, dass sie 'eins und eins' zusammengezählt hatte. Sie schien die Gleichung zu akzeptieren.
Es war ein guter Abend im D’Agosta - und ein guter Abend für uns.
»Ohne dich hätte ich niemals den Mut gehabt, mich ihm gegenüber zu stellen.«
Wir saßen am Touristen-Strand nahe der Wasserlinie und schauten in die Schwärze vor uns. Das Meer ging nahtlos in den sternklaren Nachthimmel über, und nur ab und zu glänzte silbern ein Wellenkamm, der vom Mond beschienen wurde.
Ich reichte ihm die Flasche Wein, die wir mitgenommen hatten, und er trank einen Schluck. An Schlafen war nicht zu denken. Wir waren einfach zu aufgewühlt, nach all dem Erlebten. Ich grub mit meinen Zehen im kühlen Sand.
»Wenn ich mir überlege, wie viel Angst ich früher vor ihm hatte.«, fuhr er nachdenklich fort. »Er konnte auch ganz nett sein, witzig, so wie ein Vater halt sein sollte. Aber du wusstest nie, wann er wieder ausrastete. Da reichte irgend 'ne Kleinigkeit, und - Zack - hattest du dir eine eingefangen.«
Davon hatte ich nun eine genauere Vorstellung.
»Ich werde mich nie wieder schlagen lassen«, sagte er fest. Es klang wie ein Versprechen, das er sich selbst gab.
»Das ist gut.«
Ich trank einen Schluck.
»Danke Luca, dass du dazwischen gegangen bist.«
»Das war irgendwie automatisch.«
»Das war sehr mutig.«
Ich musste lächeln »Findest du?«
»Ja klar. Ich hätte es dir nicht übel genommen, wenn du abgehauen wärst.«
Ich streckte mich im Sand aus und sah in die Sterne.
»Ich liebe dich, Shiro«, sagte ich leise. Es war das allererste Mal in meinem Leben, dass ich diesen Satz aussprach.
Er strich mit seinen Fingern ganz vorsichtig über meine aufgeplatzte Lippe und dann durch mein Haar. »Das sehe ich...«, sagte er zart, »...und das spüre ich.«
Ich setzte mich auf. »Komm, lass uns nach Hause gehen. Mir wird kalt.«
»Nach Hause klingt gut.«
Und da erst wurde mir bewusst, dass das ja tatsächlich so war. Shiro hatte bei uns ein neues Zuhause gefunden.
Das Ayumi Comero nicht auf Dauer bei uns bleiben würde, war von vornherein klar. Zum einen hatten wir zu wenig Platz, zum anderen wollte sie das auch gar nicht. Also ging es nun darum, eine Unterkunft für sie zu finden.
»Drei Zimmer am Rande von Fano wären ideal«, meinte Valentina am Morgen. »Ich werde mich heute mal umhören.«
»Drei Zimmer? Ist das nicht ein bisschen viel?« Ich war irritiert. Immerhin hatte sie praktisch kein Geld, und bis Alessandro Unterhalt zahlen würde, vergingen sicher noch Monate.
»Finde ich nicht. Ein Zimmer für sie, eins für Shiro und eines, was sie gemeinsam nutzen können... Luca, ist alles in Ordnung?«
Ich bemühte mich, meine Gesichtszüge wieder in Ordnung zu bringen und nickte. Daran hatte ich ja überhaupt nicht gedacht.
Aber es war natürlich absolut logisch, dass sie so dachte. Der Sohn wohnt bei seiner Mutter. Ganz klar.
Wir hatten ein Problem. Schon wieder.
Doch nur wenige Stunden später, am Mittag, bei einem Meeresfrüchte-Salat, erledigte sich meine Sorge. Denn Ayumi Comero teilte uns allen mit, sie habe sich dazu entschieden, nach Japan zurückzukehren.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Den ganzen Morgen über hatten Shiro und seine Mutter am Strand verbracht und dort gemeinsam überlegt, was nun zu tun sei.
»Ich war immer eine Fremde in diesem Land...«, erzählte sie mit feiner Stimme. »...Bei Shiro ist das anders, er ist hier aufgewachsen, und wenn ich sehe, wie glücklich er
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