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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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die gläserne Seeoberfläche trog. Meine Arme wirkten unter Wasser bleich und grünlich und ich konnte durch den aufwirbelnden Sand kaum ein paar Meter weit sehen. Nur von oben warf das einfallende Sonnenlicht einen unwirklichen Glanz auf das Wasser.
    Als ich wieder auftauchte und panisch die Wasseroberfläche absuchte, fühlte ich plötzlich, wie mich etwas am Bein packte und nach unten zog. Ich kreischte auf, gurgelte und da sah ich unter Wasser Lucian. Er war direkt vor mir, er lachte übers ganze Gesicht. Blasen sprudelten aus seinem Mund und dann machte er geschmeidig wie ein Fisch eine Kehrtwendung und glitt davon.
    Ich paddelte nach oben, prustete, hustete und auch Lucian war jetztwieder an der Oberfläche. Gut fünf Meter von mir entfernt streckte er seinen Arm aus und winkte mir zu.
    »Na, Frau Schwimmlehrerin, was sagst du jetzt?«, neckte er mich.»Komm schon und fang mich, du lahme Qualle!« Er kraulte davon, als ob er nie etwas anderes getan hatte.
    Ich schoss hinter ihm her, aber nach einer Weile hielt ich inne und sah ihm zu. Er hatte aufgehört zu kraulen und schwamm jetzt Delfin, mit einer Leichtigkeit, die ich nie zuvor an einem anderen Schwimmer gesehen hatte.
    In seinen geschmeidigen, fließenden Bewegungen lag eine spielerische Kraft, die mich einfach nur staunen ließ. Sein Oberkörper schnellte aus dem Wasser, die Arme zog er mit einem Schmetterlingsschlag nach vorn, dann tauchte er mit gebogenem Rückgrat wieder ein – alles sah aus wie ein einziger Fluss, als wäre tatsächlich Wasser Lucians natürliches Element.
    Woher konnte er das? Wie oft war er neben mir im Wasser gewesen, wie oft hatte er mich begleitet? Ungesehen, ungehört . . .
    Mittlerweile hatte Lucian einen großen Bogen durch den See gemacht und schwamm jetzt zu einem der Felsen an der rechten Uferseite, in dessen Inneren eine Art steinerne Treppe gebaut war. Leichtfüßig kletterte er daran empor. Das Wasser schillerte auf seiner Haut, und als er oben angekommen war, drehte er sich zu mir um, breitete lachend die Arme aus und ich kraulte zu ihm hinüber.
    Er hockte jetzt auf dem Felsen und schaute aus gut drei Metern Höhe zu mir herab. Als ich aus dem Wasser stieg, bekam ich Gänsehaut am ganzen Körper. Ich widerstand dem Impuls, meine Arme um die Brust zu schlingen. Stattdessen ging ich langsam auf den Felsen zu. Ich wusste, dass er mich ansah, seine Blicke trafen mich wie winzige Pfeile und ich genoss es. Seit gestern fühlte ich mich wie verwandelt, wie neu in meiner Haut, größer, stärker, weiblicher.
    Ich klammerte mich an einem zackigen Felsvorsprung fest und kletterte zu Lucian hinauf. Die Sonne verschwand für einen Moment hinter einer Wolke, Wind kam auf, aber im nächsten Moment hielt mich Lucian schon im Arm. Seine Haut war kühl und glatt, ich hörte sein Herz schlagen, als er mich küsste.
    »Komm«, sagte er und griff nach meiner Hand. »Wir springen zusammen. Traust du dich?«
    Ich nickte. Dann hielt ich die Luft an und auf drei sprangen wir in die Tiefe. Gleichzeitig landeten wir im Wasser und tauchten unter. Der Sog wollte uns auseinanderziehen, aber wir hielten uns fest an den Händen. Als wir an die Oberfläche kamen, schlang ich meine Arme um Lucians Hals und drückte mich gegen seinen geschmeidigen Körper und so drehten wir uns eine Weile im Wasser, immer um uns selbst herum, in langsamen Kreisen.
    Am Ufer wickelte Lucian mich in das Winnie-the-Pooh-Handtuch ein und rubbelte mich trocken, dann setzten wir uns zusammen in den Sand und er legte das Handtuch um uns beide.
    Die Sonne war ein Stück tiefer gesunken und der Wind strich durch die Gräser am Ufer. Irgendwo in der Ferne rief ein Vogel, ansonsten war alles still.
    »Du wolltest nicht raus«, sagte Lucian plötzlich leise.
    »Was?« Verwirrt sah ich ihn an.
    »Du wolltest nicht aus dem Wasser.« Er lächelte mich an. »Deine Mutter hat am Ufer gestanden und dich gerufen. Du hast gebrüllt: ›Ich komm aber nicht. Ich kann jetzt schwimmen und will hierbleiben.‹ Irgendwann ist deine Mutter dann rein und hat dich geholt. Deine Lippen waren blau und du hast wie verrückt mit den Zähnen geklappert. Dann hast du dich an ihren Schultern festgehalten und sie ist mit dir zurück ans Ufer geschwommen. Dein Dad sammelte Holz und später habt ihr zu dritt am Feuer gesessen. Deine Eltern habendich in ihre Mitte genommen und du hast immer noch am ganzen Körper gezittert.«
    »Aber du warst bei mir«, flüsterte ich.
    »Ja.« Lucian nahm meine Hand und

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