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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Tom.
    »Perfekt«, sagte ich.
    Als wir Arm in Arm durch die Tür traten, musste ich an Doris’ Diner in Hamburg denken, wo ich unzählige Mittagspausen verbracht hatte, aber dieser Diner wirkte viel authentischer.
    Der Boden war schwarz-weiß kariert, die Sitze waren aus quietschrotem Leder und auf jedem Tisch stand hinter einer Tube Senf und einerFlasche Tomatenketchup eine kleine Jukebox mit Oldies. An den Wänden hingen Fotos von Elvis Presley, James Dean und Marilyn Monroe. Es war kaum etwas los, nur ein paar alte Männer saßen an einem der Tische und tranken Kaffee.
    Wir setzten uns an einen Zweiertisch ans Fenster, erst gegenüber voneinander, aber dann kicherten wir los, weil selbst der kleine Tisch zwischen uns zu viel war.
    »Zu mir oder zu dir?«, fragte Lucian und hob eine Augenbraue in die Höhe. Ich hielt seine Hand fest und zog ihn auf meine Seite. Er legte den Arm um mich und ich schmiegte mich an ihn.
    Die Bedienung kam an unseren Tisch und fragte uns nach unseren Wünschen. Sie hatte schwarz gefärbtes, hochtoupiertes Haar und ihre rot geschminkten Lippen lachten uns freundlich an.
    Ich musste auch lachen. Wünsche? Ich hatte keine. Ich dachte an Lucians Worte vom Falkensteiner Ufer. Alles, was ich brauchte, war hier. Na gut, mein Magen war etwas anderer Meinung und machte knurrend auf sich aufmerksam. Wir bestellten frischen Orangensaft, Spiegeleier mit Speck, Pommes, Bagel und Cream Cheese.
    Wir küssten uns, während wir auf das Essen warteten, kicherten über die alten Männer, die uns verstohlen beobachteten, und konnten selbst während des Essens unsere Hände nicht voneinander lassen. In der Jukebox fand ich den alten Abbasong Lovelight, den damals die Band in dem Lampenladen angestimmt hatte. Lucian fischte einen Quarter aus der Hosentasche, damit ich ihn spielen konnte. Als die Abbamädels I won’t let you out of my sight sangen, stieß ich Lucian an. »Du hättest das Gesicht des Glatzkopfes sehen sollen, als du ihm in den Nacken gegriffen hast.«
    »Ich hätte ihm am liebsten ganz woanders hingegriffen«, knurrte Lucian und dann mussten wir schon wieder lachen.
    Lucian tunkte eine Pommes in den Ketchup und hielt sie mir hin. Als ich zubeißen wollte, stippte er sie gegen meine Nase.
    »Hey Kleine, du hast da was«, sagte er und küsste mir den Ketchup von der Nasenspitze. Dann kam die Bedienung, um unsere Gläser mit frischem Wasser zu füllen.
    »Woher kommt ihr beiden Turteltauben?«, fragte sie.
    Ich zögerte.
    »Aus dem Knast«, sagte Lucian und legte wieder seinen Arm um mich. »Wir hatten beide lebenslänglich, aber dann wurden wir wegen guter Führung entlassen.«
    »Na dann.« Die Frau zwinkerte uns zu. »Genießt eure Freiheit.«
    Genau das hatten wir vor. Ich weihte meine neue Kreditkarte ein, und nachdem wir bezahlt hatten, zog mich Lucian vom Stuhl hoch. »Komm«, sagte er. »Ich will dir was zeigen.«
    Arm in Arm gingen wir zurück zu dem Chevy, küssten uns, lachten über einen kleinen Hund, der vor dem Diner saß und eine alte Dame ankläffte, die vor Schreck fast ihre Handtasche fallen ließ, und brausten los.
    Lucian schien in den Tagen, in denen er am See nach mir gesucht hatte, eine gute Orientierung bekommen zu haben. Er bog von der Straße auf einen holprigen Waldweg ab, der sich den Berg hinauf durch einen Laubwald schlängelte. Auf einem Schotterplatz in einer Lichtung hielt er an. Als wir aus dem Wagen stiegen, schwang sich ein paar Meter vor uns ein Adler in die Luft und etwas Großes schoss durch die Büsche ins Dickicht. Ich sah nur ein braunes Hinterteil und rasend schnelle Beine, die sich im nächsten Moment in Luft auflösten.
    »Wo führst du mich hin?«, fragte ich.
    Aber Lucian nahm nur meine Hand und wir liefen durch den Wald. Es war ein Mischwald, ein schmaler, kurviger Pfad wand sich bergauf.Wieder fiel mir auf, wie katzenhaft sich Lucian bewegte. Vereinzelte Sonnenstrahlen malten Flecken auf den Waldboden, die hohen Baumkronen rauschten und plötzlich hatte ich das Gefühl, wir waren die einzigen Menschen weit und breit. Nach einer Weile lichtete sich der Pfad und Lucian zog mich nach rechts, bis wir auf einem breiten Felsplateau stehen blieben. Außer Atem hielt ich mir die Seiten, aber als mich Lucian an den Abgrund führte, vergaß ich die Quälerei.
    Tief unter uns lag die Schwanzspitze des Drachensees.
    Kristallklar zog sich der grüne Flusslauf durch die Landschaft, in einem schmalen, gezackten Verlauf. Groß und mächtig wuchsen die Berge

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