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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Griff und riss Lucian jetzt zu Boden. Keuchend fingen sie an, miteinander zu ringen, rollten über das Gras, bis Sebastian die Oberhand gewann. Er setzte sich auf Lucians Brustkorb, stemmte seine Ellenbogen mit den Knien ins Gras und umkrallte seine Handgelenke.
    »Wo ist sie? Wo ist meine Tochter?«
    Mein Herz setzte aus. Jannes Stimme. Sie kam von der Straße, sie klang panisch und gleich darauf hörte ich Dad.
    »Hier lang!«
    Ich wollte mich auf Sebastian stürzen, Lucian unter ihm wegziehen, aber ich hatte meine Muskeln nicht mehr unter Kontrolle. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen. Meine Schritte fühlten sich nicht mehr länger wie Schritte an. Ich schien über Luft zu laufen.
    Lucian lag immer noch am Boden. Aus seiner Kehle brach ein tiefes Knurren und er stemmte sich mit aller Gewalt gegen Sebastian. Aber der war stärker.
    Jannes Schluchzen drang an mein Ohr. Es war ganz nah.
    Ich ließ mich vor Sebastian und Lucian ins Gras fallen.
    »Was ich dir jetzt sage, musst du mir glauben.« Ich hielt Sebastian am Arm. »Sieh mich an. Sieh mich an!«
    Zögernd drehte Sebastian seine Augen zu mir, während sich sein Körper noch immer auf Lucian stemmte.
    Ich holte tief Luft. Ich sagte: »Im Sommer 1963 verliebte ich mich und mein Vater ertrank.«
    »Was?« Sebastian war völlig verwirrt.
    »Salzwasser«, entgegnete ich. »Es war der erste Satz des Romans, den du dir damals für Tygers Hausaufgabe ausgesucht hast. Du hast ihn mir vorgelesen. Du hast mir erklärt, wie der Autor mit diesem Satz eine Tür öffnet. Man weiß, was passiert, man kennt nur nicht das Wie.«
    Sebastian starrte mich an.
    »Auch ich weiß, was mit mir passieren wird«, sagte ich. »Und ich kenne die einzige Möglichkeit, es zu verhindern.« Ich drückte Sebastians Arm. »Hier ist mein erster Satz: Lucian ist kein Mensch, sondern mein Engel, und wenn er mich nicht rettet, werde ich sterben.«
    Sebastians Blick hielt mich noch immer fest.
    »Du musst mir es glauben!«, sagte ich. »Ich finde keine anderen Worte.«
    Ob Sebastian es tat oder nicht, konnte ich nicht sagen, denn jetzt schoss Lucians Oberkörper hoch. Er drückte Sebastian von sich, mit einem solchen Schwung, dass er ins Gras flog. Mit einem Satz war Lucian auf den Beinen.
    Aber es war zu spät.
    Meine Mutter war da.
    Dad hatte seinen Arm um sie gelegt, sie hielt beide Hände vor den Mund gepresst. Sie starrte von Lucian zu mir. Ihre Haare waren strähnig, ihr Gesicht glühte wie im Fieber und in ihren Augen flackerte eine Panik, die ich nie zuvor an einem Menschen gesehen hatte.
    Ihr Blick traf Dads, und ehe mich Lucian an der Hand fassen konnte, waren sie bei mir, im völligen Einklang, als wären sie zwei Teile eines Ganzen.
    Meine Mutter links, mein Vater rechts. Sie griffen meine Arme und zerrten mich zur Straße. Meine Beine strampelten in der Luft, aber ich konnte mich nicht wehren. Meine Schuhe lösten sich von meinen Füßen und aus der Tasche meiner Jeans fiel der Glücksschwamm. Er landete im Gras und ich hörte Janne aufschluchzen, aber meine Eltern schleiften mich weiter. Und während die Straße näher und näher kam, heftete sich mein Blick auf Lucian. Er folgte mir, Schritt für Schritt für Schritt.
    Als er dicht vor mir stand und versuchte seine Hand nach mir auszustrecken, hielten meine Mutter und mein Vater gleichzeitig inne. Während Jannes Hände sich wie Schraubstöcke um mein Handgelenk krallten, hörte ich sie sagen: »Wenn du meiner Tochter auch nur ein einziges Haar krümmst, dann bringe ich dich um.«
    Lucian hielt ihrem Blick stand. »Sie können mich nicht umbringen«, sagte er. »Aber Ihre Tochter können Sie töten. Und wenn das geschehen sollte, dann werde ich zurückbleiben, um Sie ein Leben lang daran zu erinnern. Ich weiß jetzt, wer ich bin, Frau Wolff. Sehen Sie hin. Sehen Sie genau hin.«
    Lucian drehte seine Hände um und hielt sie in die Höhe. Sie zitterten.
    »Erinnern Sie sich an den Geburtsspruch, den Sie für Ihre Tochter ausgewählt haben?«, fragte Lucian.
    Meine Mutter schwieg. Mein Vater schwieg. Sebastian, Michelle, Faye, Val, die aus dem Haus gerannt waren und um uns herumstanden, schwiegen. Im Garten war es totenstill.
    »Geheimnisvolles Leben, du«, sagte Lucian. »Umgeben von mir und vielen unbekannten Stoffen . . .«
    Er blickte an mir vorbei zu meiner Mutter. »Ich war einer dieser Stoffe, Frau Wolff. Als Sie Rebecca geboren haben, kam auch ich zur Welt. Ich weiß es wieder, ich weiß alles, und Ihre Tochter hat mir geholfen,

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