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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Weg zur Straße abschirmten. Auf einem der Zweige, zwischen dicken sattgrünen Blättern saß ein Vogel, ein kleiner Spatz. Er stieß ein freches Zwitschern aus, dann hob er seine Flügel. Als er in die Luft flog, durchfuhr mich ein ähnliches Gefühl wie auf Suses Geburtstagsparty an der Elbe. Damals hatte es sich nur angefühlt wie ein Déjà-vu. Heute wusste ich, dass ich schon ein Mal hier gewesen war, dass ich genau diesen Moment nicht zum ersten Mal erlebte. Es war ein glücklicher Moment gewesen, auch das fühlte ich. Da war ein inneres Lachen in mir, wie ein Echo aus einer anderen Zeit.
    Langsam drehte ich mich zu Lucian um.
    »Okay«, sagte ich. »Wir klettern raus und suchen diesen Raum.«
    Lucian war vom Bett aufgestanden. Er kam auf mich zu, legte seinen Arm um meine Taille und ich lehnte den Kopf an seine Schulter. Eine kleine Weile standen wir schweigend da, dann zeigte Lucian auf den Baum. Es war eine Linde mit großen hellgrünen Blättern. Einer der Äste war ziemlich dicht am Fenster, aber um zum Stamm zu kommen, musste man sich ein ganzes Stück daran entlanghangeln.
    »Schaffst du das?«, fragte Lucian.
    Ich nickte.
    Faye lief zur Tür und horchte. Doch im Flur war alles still.
    »Gibt es noch etwas, das du mitnehmen möchtest?«, fragte Lucian.
    »Dich«, sagte ich und schlang meine Arme um seinen Hals. Über seine Schulter hinweg sah ich Faye an der Tür stehen. Sie lächelte mir zu und es steckte so viel in diesem Lächeln, Trauer, Sehnsucht, Wünsche.
    Dann fiel mein Blick auf den Glücksschwamm von Spatz. Er lag auf meinem Kopfkissen und ich lief hin, um ihn zu holen. Ich verstaute ihn in meiner Tasche.
    »Los«, sagte ich.
    Lucian küsste mich sanft. »Ich zuerst«, sagte er und grinste leicht.»Ich Tarzan, du Jane.«
    Dann schwang er sich leichtfüßig auf das Fensterbrett, setzte mit einem Sprung zu dem Ast an, griff ihn und hangelte sich mit fließenden Bewegungen bis zum Stamm, an dem er lautlos wie eine Katze nach unten kletterte.
    Mein Abstieg verlief nicht ganz so elegant. Als ich auf das Fensterbrett kletterte, hämmerte mir das Herz bis in die Ohren. Um den Ast greifen zu können, musste ich mich weit vorbeugen, und wenn meine Hände in die Luft griffen, würde ich abstürzen.
    »Nicht denken«, rief Lucian von unten. »Spring einfach!«
    Ich holte Luft, dann streckte ich die Hände aus, machte einen Satz in die Luft und krallte mich an den Ast. Er war gerade dick genug, dass ich ihn mit den Händen umfassen konnte, aber als es knackte, stieß ich einen leisen Schrei aus. Meine Beine baumelten in der Luft und mein Körper fühlte sich an, als würde er in der Mitte durchgerissen. Mit zusammengebissenen Zähnen schaffte ich es bis zum Stamm.
    Der Ast hatte gehalten. Meine Hände schwitzten so stark, dass ich mich kaum noch halten konnte. Zitternd suchte ich mit meinem Fuß den nächsten Ast, ratschte mir die Handflächen an der rauen Rindeauf und rutschte die letzten Meter wie ein nasser Sack nach unten. Die Beine knickten unter mir weg und ich fiel wie ein Käfer auf den Rücken. Lucian griff mir unter die Achseln und zog mich vom Boden hoch.
    Hinter uns ertönte ein Rascheln.
    Ich lag noch immer halb am Boden, fest im Griff von Lucians Händen, die an mir rissen und zerrten, als hinter einem der Büsche jemand auf uns zukam.
    Nicht Dad.
    Nicht Janne.
    Im Garten meines Vaters, kaum noch einen Meter von uns entfernt, stand Sebastian.

VIERZIG
    »Du?«
    Sie keuchten es beide, wie aus einem Mund, Lucian und Sebastian. Ich hatte mich aufgerappelt, aber Lucian stellte sich wie ein Schutzschild vor mich.
    »Was tust du hier?«, stieß Sebastian hervor. »Was willst du von ihr?«
    »Ihr Leben retten«, sagte Lucian. »Und deshalb wirst du uns jetzt gehen lassen.«
    »Nein«, sagte Sebastian. »Ich habe zufälligerweise genau dasselbe vor. Rebecca hat mich angerufen. Sie hat mir gesagt, dass sie sterben wird. Sie hat mir auch erzählt wo, nur über das Wie hat sie sich ausgeschwiegen, aber das weiß ich jetzt ja auch.«
    Lucian fuhr zu mir herum. Seine schwarzen Augenbrauen waren zusammengeschoben, tiefe Ungläubigkeit lag in seinem Blick.
    »Was sagt er da?«, flüsterte er heiser.
    Ich senkte den Kopf. »Die Wahrheit. Aber es ist nicht so, wie du denkst. Ich habe nur von diesem Raum gesprochen, von dem Albtraum, ich war völlig durchgeknallt, ich . . .«
    Ich hielt inne. Oh Gott, was hatte ich getan? Ich hatte Sebastian diese Worte ins Ohr gebrüllt, ohne sie auch nur ansatzweise zu

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