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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Lucian, der seine schwarze Lederjacke angezogen und den Rucksack geschultert hatte, aus dem Dachfenster ins Freie.
    Für einen Moment musste ich mich am Rahmen festhalten. Direkt unter dem kleinen Vorsprung, auf dem ich stand, ging es steil bergab. Die kalte Abendluft strich mir über das Gesicht und Lucian lachte mich mit funkelnden Augen an.
    »Wollen wir?« Er nahm meine Hand und zog mich um die Ecke, wo ein flacher Sims zum Nachbarhaus führte. Das Gebäude überragte das Haus, in dem Lucian wohnte, um gut zwei Meter, eine schmale, an der Fassade angebrachte Feuerleiter führte hinauf.
    Mit der Eleganz einer Raubkatze kletterte Lucian an den Sprossen nach oben und winkte mir. »Nicht nachdenken«, rief er. »Komm einfach zu mir.«
    Ich holte Luft, dann kletterte ich ebenfalls nach oben, wobei ich mich alles andere als katzenhaft fühlte.
    Unser Atem stieg in weißen Wolken auf, aber ich spürte die Kälte nicht. Die fünf oder sechs Häuser, deren Dächer wir überquerten, waren ebenfalls flach und direkt miteinander verbunden, aber trotzdem wagte ich erst wieder nach unten zu schauen, als Lucian stehen blieb.
    Wir waren am Ende der Straße angekommen. Rechts von uns, auf der gegenüberliegenden Straße, lag das legendäre Hotel Atlantic, das nächstes Jahr sein hundertjähriges Jubiläum feiern würde. Von unten hatte ich es natürlich schon oft gesehen. Sein grünes Schieferdach krönten zwei Statuen, die Rücken an Rücken zwischen einer stilisierten Weltkugel saßen. Sie war beleuchtet und glänzte in einem hellen Silber, während die Gesichter der steinernen Frauen eine würdevolle Gleichmut ausstrahlten.
    »Für einen Heißluftballon fehlt mir das nötige Kleingeld«, sagte Lucian, »aber das hier ist auch nicht übel, oder?«
    Ich konnte nichts erwidern. Stumm blickte ich auf die nächtliche Stadt zu unseren Füßen. Von hier oben aus konnte man in alle Himmelsrichtungen schauen. Vor uns lagen Binnen- und Außenalster, getrennt durch die vielspurige Kennedybrücke mit den winzigen Autos. Jenseits des Dammtorbahnhofes ragte die lange, rot blinkende Spitze des Fernsehturms in den nächtlichen Himmel, hinter uns lagen der Hauptbahnhof und die Hamburger Kunsthalle. Ich erkannte die Nikolaikirche, deren langer Turm wie eine Papstmütze aussah, und den Hamburger Michel, dessen über vierhundert Stufen Dad und ich einmal bestiegen hatten, allerdings an einem verregneten Sonntag, sodass wir uns das Ganze hätten sparen können.
    Der Himmel war stockfinster, nicht mal der Mond war zu sehen, aber dafür leuchteten die Lichter der Stadt umso heller. Die gelben und orangefarbenen Laternen, die Reklameflächen und Leuchtschilder, die weißen Scheinwerfer und roten Rücklichter der Autos und die strahlenden Fassaden der Geschäfte und Hotels funkelten um die Wette. An manchen Hochhäusern blinkten neongrüne Lichter und ich sah die blauen und pinkfarbenen Leuchtstreifen des Cinemaxx-
Kinos, in das Suse und ich immer gingen.
    Mein Blick glitt über die Wipfel der Bäume, deren Zweige schon nackt waren, die verschiedenen Brücken und die verlassenen Gärten, die jetzt einen langen Winter vor sich hatten.
    »Es ist schön hier«, brachte ich endlich hervor. »Ja«, sagte Lucian. »Das ist mein Lieblingsplatz.«
    Er breitete seinen Schlafsack aus. Das Dachsims, geschützt von Gauben und verschiedenen Schornsteinen, war so ebenmäßig, dass man tatsächlich gemütlich hier sitzen konnte. Der Boden war warm, wie aufgeladen von den Heizungen und Kaminen der Wohnungen, und ich kuschelte mich dicht an Lucians Seite. Er drückte mir die beiden Gläser in die Hand, entkorkte den Champagner und schenkte uns ein.
    Dann nahm er sein Glas und wandte sich zu mir.
    »Auf dich«, sagten wir wie aus einem Mund und mussten lachen. »Auf uns.«
    Der Verkehr rauschte von unten zu uns herauf, aber ich hörte
nichts als das leise Klingen unserer Gläser.
    Ich war so randvoll von Gefühlen, dass ich glaubte, keinen Bissenherunterkriegen zu können, aber als Lucian mir ein Stück Salami zwischen die Lippen schob, merkte ich, wie hungrig ich war.
    »Mehr«, sagte ich.
    Lucian lachte, schob ein Stück Käse hinterher, dann etwas Brot und einen Schluck Champagner aus seinem Glas.
    »Hey«, beschwerte ich mich, als mir die perlende Flüssigkeit aus den Mundwinkeln tropfte. »Nicht so schnell.«
    Lucian beugte sich über mich und küsste den Champagner von meinen Lippen.
    »So schmeckt er noch besser«, murmelte er. »Willst du auch mal?«
    Er setzte

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