Luciano
Kapelle war kalt und roch
nach Moder, kein Wunder, denn sie konnte wegen der
Brennstoffrationierung nicht beheizt werden. Das Dunkel wurde nur hier
und dort durch eine Ker zenflamme beinahe gespenstisch erhellt.
Maria Vaughan zündete vor der
Heiligen Jungfrau eine Ker ze an und kniete dann am Altar nieder. Eine
Weile verharrte sie im Gebet, dann stand sie auf, nahm Eimer und
Schrubber und begann, den Fußboden im Mittelgang aufzuwischen.
Sie tat es trotz ihrer Müdigkeit nicht ungern, denn die
mechanische Ar beit ließ ihr Zeit zum Nachdenken.
Hoch droben auf der Empore stand
Schwester Katherine Markham, die Oberin des Klosters, mit Harry Carter
und Lu ciano und beobachtete sie.
»Sagten Sie nicht, Schwester Maria habe den ganzen Tag im Krankenhaus gearbeitet?« fragte Carter.
»Ja, sie ist dort Operationsschwester.«
»Warum dann jetzt noch das Putzen?«
»Jedem Mitglied des Ordens wird
eine Aufgabe zugewiesen, die allabendlich getan werden muß,
gleichgültig, wie schwer das Tagewerk gewesen ist. Auch diese
niedrigen Verrichtun gen, Colonel, sind ein Symbol der Liebe, die uns
alle miteinan der verbindet. Wir gehen jetzt hinunter, und ich mache
Sie mit Maria bekannt.«
Die Oberin begab sich zur Treppe. Luciano grinste und flü
sterte Carter zu: »Wer hier dumme Fragen stellt, Professor, kann sich auf die Antwort freuen.«
Maria blickte auf, als die drei
näher kamen, und hielt mit ih rer Arbeit inne.
»Ehrwürdige Mutter?« sagte sie.
Die Oberin lächelte.
»Besuch für dich, Maria. Dieser Herr ist Colonel Carter, und
das ist Mister Orsini.«
Maria stand wie versteinert da und starrte
Luciano an. Er lä chelte ungezwungen und sagte auf sizilianisch:
»Hallo, mein schönes Kind. Lange nicht gesehen.«
Die Oberin nahm Maria sanft den
Schrubber aus der Hand. »Ich mache hier fertig. Du kannst die
Herren in mein Büro füh ren.«
Maria warf noch einen Blick auf
Luciano, dann drehte sie sich um und verließ die Kapelle. Als
Carter und Luciano ihr folgen wollten, sagte die Oberin: »Wir
bringen im ehemaligen Pförtnerhaus unsere Gäste unter,
Colonel. Wenn Sie wollen, können Sie gern hier
übernachten.«
Sie tauchte den Schrubber in den
Eimer und hatte schon mit Putzen begonnen, als die beiden Männer
hinausgingen.
Das Büro war klein und
vollgestopft, es bot kaum Platz für den Schreibtisch und die
Aktenschränke. Luciano lehnte sich an die Tür und rauchte,
während Carter und Maria einander am Schreibtisch
gegenübersaßen.
»So, das wär's«,
sagte Carter. »Im Grunde alles ganz ein fach. Es geht nur um ein
Ja oder ein Nein. Mister Orsini und ich …«
»Das Versteckspiel
erübrigt sich, Colonel«, sagte Maria ru hig. »Ich
kenne Mister Luciano. Er ist Teil einer Vergangen heit, mit der ich
nichts mehr zu tun haben will. Die nicht mehr Teil meines Lebens
ist.«
»Kann man ein Bein verlieren,
einen Arm, und noch immer der gleiche Mensch sein?« fragte
Luciano auf sizilianisch.
Sie antwortete in der gleichen Sprache.
»Ein guter Gärtner, Mister Luciano, schneidet den faulen Ast ab, um den Baum zu retten.«
Carter sagte geduldig:
»Schwester, damit Tausende von Menschenleben gerettet werden,
müssen Sie Ihren Großvater überreden, daß er sich
öffentlich auf unsere Seite stellt. Nur Sie könnten das
erreichen.«
»Colonel, Sie verschwenden Ihre
Zeit. Ich habe seit Jahren keinerlei Verbindung mehr mit meinem
Großvater. Diese gan ze Sache ist absurd und hat nichts mit mir
zu tun. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe noch zu
arbeiten.«
Sie sprang auf und lief an Luciano
vorbei hinaus. Carter nahm den Telefonhörer auf und gab dem
Fernamt die Nummer des SOE-Hauptquartiers in der Baker Street in
London.
Luciano sagte: »Und wie geht's jetzt weiter?«
»Sie kommt mit«, versicherte Carter ihm.
»Was macht Sie so zuversichtlich?«
»Der Gedanke an die Soldaten,
die sonst sterben müßten, wird seine Wirkung nicht
verfehlen. Maria ist schließlich eine gute Frau. Ist Ihnen das nicht klar?«
Das Telefon klingelte, und Carter
nahm den Hörer ab. »Ge ben Sie mir Control Zwei. Hier
Carter. Codewort Skorpion.«
Er angelte nach einer Zigarette, und als Luciano ihm Feuer gab, hörte er eine ferne Stimme.
Er sagte: »Hallo, Jack. Hier
Harry. Ja, alles läuft nach Plan. Jetzt brauche ich folgendes: ein
sicheres Haus in der Nähe von Manchester auf ein paar Tage. Steht
Bransby
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