Luciano
Abbey noch auf der Liste?«
Luciano mischte sich ein. »He, Moment mal.«
Carter beachtete ihn nicht. »Zwei
Schützen zur Rückendek kung. Gutes Italienisch Bedingung,
plus der üblichen Erfah rung, aber ich muß sie innerhalb
achtundvierzig Stunden ha ben. Und Funkmeldungen an das 138ste
Geschwader in Mai son Blanche und an unsere Freunde in Bellona. Sie
sollen alles für unsere Fallschirmlandung in sieben bis zehn Tagen
vorbe reiten.«
Er lauschte eine Weile, dann lächelte er und sagte: »Nein, kein Problem.«
Er legte den Hörer auf. Luciano
sagte: »Genau wie ich sagte. Gefühle gibt's nicht. Alles
ruckzuck. Nur daß Sie sich in einem Punkt täuschen,
Professor.«
»Sagen Sie's mir.«
»Falls Maria wirklich mitgeht,
dann nicht, weil sie an die Menschenleben denkt, die sie retten
könnte.«
»Und wie lautet Ihre Theorie?«
»Ganz einfach. Das schlechte Gewissen quält sie schon so lang, sie kann einfach nicht nein sagen.«
Schwester Angelas einziges Laster
waren die Zigaretten. Maria kannte das Versteck. Hinter der Mehltruhe
im Vorrats raum. Sie zündete sich mit zitternden Fingern eine an,
und dann stand sie dort im Dunkeln und paffte wild wie ein trotzi ges
Kind.
Marias sizilianisches Erbteil konnte
gelegentlich sehr rasch die Oberhand gewinnen, und dann galt es,
dagegen anzukämp fen, aber nicht jetzt.
Der Anblick von Lucianos Gesicht, des
alten ironischen Lä chelns hatte Wunden aufgerissen, und aus
dunklen Winkeln trat längst Totgeglaubtes wieder auf sie zu.
Sie roch den brennenden Wagen, sah
sich auf die Mutter zu kriechen, sah das Blut auf deren Gesicht. Und
dann die Schmerzen. Die langen Wochen im Krankenhaus, die Hautver
pflanzungen und der Großvater, der Tag für Tag an ihrem Bett
saß, obwohl sie sich weigerte, mit ihm zu sprechen.
Der Haß in ihr, die Erbitterung
waren so übermächtig, daß sie in einer Art Panik die
Zigarette in den Ausguß warf, den Hahn aufdrehte und sich das
Gesicht mit kaltem Wasser wusch.
Nach einer Weile ging es ihr besser.
Die Vergangenheit war vorbei und abgetan. Sie hatte ihre Toten
begraben, und zu ih nen gehörte auch ihr Großvater. Sizilien
und alles, was es be deutete, ging sie jetzt nicht mehr das geringste
an. Sie hatte ihre Arbeit, ihr geregeltes Tagewerk, das Krankenhaus.
Für anderes blieb kein Platz. Luciano und Carter würden das
einse hen müssen. Sie glättete ihr Ordenskleid, holte tief
Atem und verließ die Küche.
Die Notunterkunft in den ehemaligen
Stallungen hinter dem Klostergebäude bot zwar keinen Komfort, aber
die Steinwände waren weiß gekalkt, im Ofen brannte ein
Koksfeuer, Bänke und Decken warteten auf die Leute, die jeden
Abend hier um eine Bleibe anstanden.
Sie waren ein recht buntes Gemisch.
Ganze Familien, Mut ter, Vater und Kinder, die ausgebombt waren,
Soldaten auf Heimaturlaub, die erst am nächsten Morgen
Zuganschluß hat ten und ein Nachtlager brauchten. Und dazu das
Strandgut des Lebens, wie man es in jeder Großstadt findet, die
Ungewa schenen, die Obdachlosen, die Trinker, die den Kampf aufge geben
hatten. Maria stand mit noch zwei Nonnen hinter einem Gartentisch und
verteilte an die langsam vorrückende Men schenschlange Brot und
heiße Suppe.
Am Ende der Schlange waren zwei junge
Soldaten in khaki farbenen Drillichanzügen in Streit geraten.
Plötzlich ein lauter Schrei, und schon hagelte es Schläge.
Maria fegte wie ein Wir belwind um den Tisch und warf sich zwischen die
Kämpf en den. In diesem Augenblick holte der eine, ein junger
rothaari ger Schotte, zu einem gewaltigen Hieb aus, der seinem Gegner
gelten sollte, und traf sie ins Gesicht.
Im nächsten Moment war ein
fuchsteufelswilder Luciano wie aus dem Boden gewachsen zur Stelle.
Blitzschnell schlug seine rechte Hand dem jungen Mann ins Gesicht, die
linke packte ihn an der Kehle.
Maria umklammerte verzweifelt Lucianos Arm mit beiden Händen. »Nein, bitte nicht. Nicht so.«
Und Luciano lächelte und
ließ den jungen Mann so plötzlich los, daß er auf die
Knie fiel. »Okay, mein schönes Kind. Ihr Wunsch ist mir
Befehl«, sagte er auf sizilianisch.
Stimmen schwirrten durcheinander, als
die Menschenmenge aus der Erstarrung erwachte. Der Soldat stand auf und
befühlte vorsichtig seine Kehle.
»Entschuldigung, Miss«,
sagte er zu Maria. »Ich weiß gar nicht, wie das passiert
ist.«
»Schon in Ordnung«, sagte
sie. »Holen Sie sich jetzt Ihre Suppe.« Und sie
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