Lucky - Nur eine Frage der Zeit
Sache schriftlich festhalten?”
Syd nickte.
“Na also”, stieß Rio erleichtert hervor, “dann können wir ja alles nachlesen.”
Die drei Männer standen auf, und Lucky verspürte einen Anflug von Panik. Sie würden gehen und ihn allein mit Syd zurücklassen, die über ihre Theorie reden wollte. Himmel, nein, aber wie sollte er reagieren? Er konnte nicht einfach sagen: “Nein, Sie gehen jetzt nicht zum Unterricht!”
“Ab mit Ihnen”, sagte er, und die drei rannten beinahe zur Tür.
Syd lachte. “Tja, ich weiß, wie man ein Zimmer in null Komma nix räumt, nicht wahr?” Sie zog eine Augenbraue hoch. “Sind Sie sicher, Lieutenant, dass Sie den anderen nicht folgen und das, was ich zu sagen habe, lieber später nachlesen wollen?”
Lucky stand auf, um sich einen Becher Kaffee einzuschenken. Er musste erst nach einem sauberen Becher suchen und war froh, dass er ihr so den Rücken zuwenden konnte. “Nichts an diesem Auftrag ist besonders erfreulich. Wenn Sie also der Meinung sind, ich müsste das hören …”
“Bin ich.”
Lucky goss sich einen Kaffee ein, atmete tief durch, drehte sich wieder zu ihr um, trug seinen Becher zum Tisch und setzte sich ihr gegenüber. “Okay”, sagte er. “Schießen Sie los.”
“Nach den ärztlichen Untersuchungen ist unser Mann … wie soll ich’s ausdrücken … sexuell nicht völlig ans Ziel gelangt, wenn die Frau sich nicht wehrte.”
Oh Gott.
“Wir müssen im Auge behalten”, fuhr sie fort, “dass Vergewaltigung nicht wirklich etwas mit Sex zu tun hat. Bei Vergewaltigung geht es um Gewaltausübung, um Machtausübung, um Beherrschung. Tatsache ist, dass viele Serienvergewaltiger nie zum Samenerguss kommen. Tatsache ist auch, dass es in diesen elf Fällen nur viermal zum Samenerguss gekommen ist. Wie schon gesagt: immer nur dann, wenn das Opfer sich wehrte oder – und das ist ein sehr wichtiger Punkt – wenn das Opfer gezwungen war, sich zu wehren.”
“Moment mal! Sie sagten, die meisten Frauen hätten sich gewehrt.” Lucky beugte sich vor. “Kann er nicht in den anderen Fällen ein Kondom benutzt haben?”
“Nach Aussage der Opfer nicht.” Syd stand auf und begann auf und ab zu gehen. “Da ist noch mehr, Luke, hören Sie zu. Gina sagte aus, sie habe sich nicht gewehrt. Sie duckte sich, er schlug sie, und sie duckte sich noch mehr. Und dann, so sagt sie, hat er zehn Minuten darauf verwendet, ihre Wohnung zu demolieren. Ich war in der Wohnung. Es sah darin so aus, als hätte es einen heftigen Kampf gegeben. Aber Gina hat sich nicht gewehrt. Ich frage mich, ob der Kerl eventuell versucht hat, alles so aussehen zu lassen, als hätte das Opfer sich gewehrt. In dem Versuch, sich selbst sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Nachdem er die Wohnung zerlegt hatte, wandte er sich wieder Gina zu und verprügelte sie nach Strich und Faden. Dennoch tat sie nichts, versuchte sich nur ganz klein zu machen. Wenn meine Theorie stimmt, hat sie ihm damit nicht gegeben, was er wollte. Was tut er also? Er wird noch wütender, reißt ihr die Kleider vom Leib, aber sie wehrt sich immer noch nicht. Also packt er ihre Kehle und drückt zu. Bingo. Sie reagiert augenblicklich. Sie kriegt keine Luft mehr – und fängt an, nach Atem zu ringen. Sie fängt an sich zu wehren. Und damit hat er endlich erreicht, was er will. Damit und vielleicht mit dem blanken Entsetzen, das er in ihren Augen sehen kann, denn jetzt glaubt sie, dass er sie umbringen wird. Er erfährt sexuelle Befriedigung, fügt ihr noch einmal Schmerz zu, indem er sie brandmarkt, und geht. Das Opfer lebt noch. Diesmal.”
Oh Gott.
“Es ist wirklich nur eine Frage der Zeit, bis er einer Frau die Kehle zu sehr oder zu lange zudrückt und sie stirbt”, fuhr Syd finster fort. “Und wenn ihm der Akt des Tötens den richtigen Kick gibt – und das wird es höchstwahrscheinlich –, dann hat er eine Grenze überschritten. Er wird vom Serienvergewaltiger zum Serienmörder. Wir wissen schon, dass er auf Angst und Schrecken steht. Er terrorisiert seine Opfer mit Freuden. Er genießt die Macht, die er über sie gewinnt. Die Todesangst versetzt sein Opfer in entsetzlichen Schrecken, was ihm wiederum höchstes Vergnügen bereitet.”
Syd trug ihren halb geleerten Becher zur Spüle und schüttete den Rest kalten Kaffee in den Ausguss. “Sich wehren oder sich fügen”, sagte sie. “Wenn das Opfer sich wehrt, bekommt er, was er will, aber es wird brutal zusammengeschlagen. Dennoch – wenn es sich fügt, wird er
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