Lucy im Himmel (German Edition)
unterrichtete am Labenwolf Gymnasium. Ihre Hobbys waren: Schwimmen, schwimmen, schwimmen. Sie ging aber auch gerne Essen und ins Kino – ob das ein Wink mit dem Zaunpfahl war?
Irgendwann drehte sie den Spieß um und ermunterte meinen Mann mit der einen oder anderen Frage, etwas von sich preiszugeben. Besonders wichtig schien ihr dabei das Thema »Familienstand« zu sein, das sie immer wieder scheinbar beiläufig anschnitt. Dabei konnte sie es nicht lassen, jedes Mal verstohlen auf den Ring an Gregors rechter Hand zu starren. Da wir uns bei unseren Eheringen für eine sehr schlichte Variante entschieden hatten – nur meiner war durch einen kleinen Diamanten aufgepeppt –, konnte seiner durchaus als Freundschaftsring oder sogar nur als modisches Accessoire für den Mann durchgehen.
Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, erleichterte es sie ganz ungemein, zu erfahren, dass Gregor Witwer war. Ein Punkt, der sie mir nicht eben sympathisch machte. Ein wenig mehr Einfühlungsvermögen hätte sie schon zeigen können.
Kurz vor zweiundzwanzig Uhr kam die Durchsage, dass das Bad in einer halben Stunde schließen würde und die Gäste gebeten wurden, ans Heimgehen zu denken.
»Sehen wir uns am Montagabend wieder?«
Gregor nickte. »Ich schau, dass ich ab halb acht da bin.«
»Prima, ich freu mich.« Schnell legte sie die Hand auf die Schulter meines Mannes, stellte sich auf die Zehenspitzen und verabschiedete sich mit einem Küsschen auf seine Wange. Puh! So kess war nicht mal Claudia gewesen. Andererseits war sie ja auch eine Arbeitskollegin, die sich derlei bei ihrem Chef wohl kaum erlauben konnte. Da musste Gregor den ersten Schritt tun, und das würde ich hoffentlich zu verhindern wissen.
Am Samstagmorgen suggerierte ich meinem Schatz, er wolle zum Bäcker gehen und Brötchen holen. Als er jedoch die Haustür öffnete, wartete dort die erste Überraschung des Tages auf uns – und zwar in Form einer Papiertüte mit zwei frischen Mohnbrötchen und einem Croissant. Auf ihr klebte ein Zettel: Wenn du Lust auf den dazugehörigen frischen Kaffee hast, komm rüber.
Wow! Das war ja mal eine innovative Einladung zum Frühstück – wenn nicht sogar zu mehr. Von wem sie wohl stammte? Ich sah Gregor an und folgte seinem Blick über die Straße zum Haus von Frau Schneider. Wie aufs Stichwort kam das Monster von einem Hund in den Garten getobt. Ui! Gestern war die Dame noch beim höflich-distanzierten Sie gewesen.
Und nun? Sollte mein Liebling die Einladung annehmen? Auf gute Nachbarschaft? Aber eigentlich war es ein Angebot für mehr. Frau Schneider bekundete damit eindeutig ihr Interesse an einem alleinstehenden Mann.
Gregor zögerte.
Horch in dich hinein. Und dann mach das, worauf du Lust hast. Vielleicht ist es lustig mit ihr. Und wenn du nicht magst, geh zumindest hinüber, bedanke dich, damit sie weiß, dass du nicht auf den Kopf gefallen bist und trotz fehlender Unterschrift den Absender kennst.
»Ich wollte einkaufen gehen. Und bei Lucy war ich diese Woche auch noch nicht«, murmelte er zu sich selbst.
Einkaufen kannst du später auch noch, die Läden haben bis acht offen, und zum Friedhof musst du nicht ausgerechnet heute.
»Also gut.«
Er schnappte sich die Brötchentüte, sperrte die Haustür ab und ging hinüber. Das Klingeln konnte er sich sparen, denn wie durch einen Zufall trat die Nachbarin just in dem Moment aus dem Wohnzimmer, um nach dem Hund zu schauen. Sie blickte erst auf die Bäckertüte in Gregors Händen und ihm dann einen Moment lang prüfend ins Gesicht.
»Ich dachte schon, ich wäre mit dem Zettel zu weit gegangen«, grinste sie schließlich. »Ich heiße Sabine.«
»Gregor.«
»Komm auf die Terrasse. Der Kaffee ist in einer Minute fertig.«
Als hätte es seit ihrem letzten Treffen keine Unterbrechung gegeben, knüpften beide mit ihren Erzählungen an genau dem Punkt wieder an, an dem sie sich gestern Nachmittag verabschiedet hatten. Sabine kochte Kaffee, der nicht nur ganz exzellent duftete, sondern auch so schmeckte. Zum Glück fiel niemand auf, dass ich mir in der Küche eine Tasse davon eingoss.
Lange nachdem der letzte Krümel Croissant verdrückt und auch von den Brötchen nichts mehr übrig war, fragte sie meinen Göttergatten, ob er nicht mit ihr und dem Hündchen eine Runde spazierengehen
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