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Lucy im Himmel (German Edition)

Lucy im Himmel (German Edition)

Titel: Lucy im Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Mohr
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konnte ich die beiden im Anschluss an ihr Schwimmtraining unternehmen lassen? Einen Kaffee trinken, damit sie sich unterhalten und kennenlernen konnten? Anna-Lena machte nun nicht gerade den Eindruck auf mich, als ob sie in festen Händen sei, aber diesen Punkt wollte ich neben ein paar anderen gerne abgeklärt wissen, damit wir uns keinen falschen Hoffnungen hingaben.
         Nachdem sie rund einen Kilometer geschwommen waren, wurde mir die Gestaltung des weiteren Abends jedoch aus der Hand genommen: Anna-Lena klammerte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Beckenrand. Mein Mann stoppte ebenfalls.
         »Krampf«, war alles, was sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorstieß.
         Oha! Na, damit kannte ich mich aus. Ich musste sofort an meine Begegnung mit Bea im Baggersee denken. Was hatte sie gesagt? Ach ja. Ich richtete meine Augen fest auf Gregor: Ganz ruhig auf dem Rücken liegen bleiben und auf das Bein konzentrieren! Versuch, den Fuß und auch die Zehen abzuwinkeln, während du das Bein gestreckt lässt.
         Gregor gab die Worte weiter. Okay, das mit der Rückenlage war in dem Fall Quatsch, er musste sie schließlich nicht aus dem Wasser ziehen, sie war ja schon am Beckenrand. Merkwürdigerweise tat Anna-Lena jedoch genau das, was er sagte, sodass er sie mit einem Arm umfassen und sich mit der anderen Hand an den Kacheln abstützen musste.
         Immer auf das Bein konzentrieren und den Fuß so halten, dass der Krampf unterbrochen wird. Auch das wiederholte Gregor wörtlich.
         »Ich glaube, jetzt geht es wieder«, murmelte sie nach einer Weile. »Danke.« Trotzdem hielt sie sich weiterhin an ihm fest.
         »Du solltest für heute besser Schluss machen.«
         »Ja, mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben. Denkst du, es macht Sinn, in die Sauna zu gehen? Wärme soll bei Krämpfen gut tun – habe ich zumindest mal gehört. Hast du Lust, mir Gesellschaft zu leisten? Dann könnten wir uns eine Weile unterhalten.«
         Mir klappte die Kinnlade herunter. Ein Kind von Traurigkeit war die Dame definitiv nicht. Mit einem fremden Mann, den ich gerade zum zweiten Mal sah, wäre ich nie und nimmer irgendwohin gegangen, wo man sich in der Regel nur textilfrei begegnete. Sie hatte damit aber kein Problem beziehungsweise legte es geradezu darauf an, sich ihm hüllenlos präsentieren zu können.
         Auch Gregor schien mit sich im Zwiespalt zu stecken, ob er sein erstes Date mit seiner neuen Sportbekanntschaft gleich nackt verbringen wollte.
         Nun ja, meinen Segen dazu hatte er. Ich schaute ihn fest an: Warum nicht?
         Er nickte Anna-Lena zu, die daraufhin anmutig aus dem Becken stieg. So hätte ich das nicht gekonnt, nachdem ich meinen Krampf im Baggersee gehabt hatte. Mir fiel auch auf, dass sie beim Laufen nicht im Mindesten humpelte. Sollte sie etwa geschummelt haben, um einen Vorwand zu bekommen, nach dem Schwimmen noch ein bisschen Zeit mit meinem Göttergatten zu verbringen? Neugierig folgte ich den beiden in den ersten Stock.
     
    Entgegen allen Regeln betrat ich den Saunabereich, ohne mich zu entkleiden, obwohl mehr als ein Schild darauf hinwies, dass das verboten war. Aber es bekam ja keiner der Anwesenden mit – und der Einzige, der höchstwahrscheinlich mal wieder von seinem Fenster im Himmel aus jeden meiner Schritte verfolgte, sollte mich nicht unverhüllt sehen. Dabei fiel mir ein, dass ich schon sehr lange keinen himmlischen Anruf mehr erhalten hatte. Ich war stolz auf mich, denn das konnte nur bedeuten, dass ich offenbar zur vollsten Zufriedenheit meines Chefs arbeitete.
         Mein Mann zeichnete sich dadurch aus, dass er sich im gesamten Verlauf des Abends wirklich nur während der Duschvorgänge nackt präsentierte – obwohl er sich ganz und gar nicht zu verstecken brauchte. Anna-Lena war hingegen entweder nymphoman veranlagt, oder sie wollte der ganzen Welt zeigen, was sie zu bieten hatte und möglichst viele bewundernde Blicke auf sich ziehen. Ich beobachtete, wie auch mein Mann verstohlen ihren Körper einer kurzen und offenbar wohlwollenden Musterung unterzog.
         Hatte ich geglaubt, dass ich mithilfe einer ausgeklügelten Fragetechnik versuchen musste, die Schwimmerin zum Reden zu bringen, sah ich mich getäuscht. Sie kam aus dem Erzählen schier nicht mehr heraus. Die junge Deutsch- und Französischlehrerin war vierunddreißig Jahre alt, ledig ohne Anhang – weder Freund noch eigene Kinder – und

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