Lucy im Himmel (German Edition)
schleunigst Land gewinnen. Madame schien diesen Unterschied nicht zu kennen, vielmehr zwinkerte sie ihm sogar noch feixend zu. In aller Seelenruhe nahm er ihr daraufhin das Handy aus der Hand, was sie anstandslos zuließ, da sie offenbar glaubte, er würde ein Machtwort sprechen. Tat er auch.
»Annika? Gregor hier. Claudia macht sich natürlich sofort auf den Weg. In fünfzehn Minuten ist sie bei dir. Was habt ihr denn?« Er hörte einen Augenblick zu, nickte und sagte: »Wenn was ist, kannst du mich jederzeit erreichen.« Danach beendete er das Gespräch und schaute seine Besucherin an. »Wenn du Bereitschaft hast und ein Kollege dich anfordert, ist es überhaupt kein Thema, was du gerade machst. Dann lässt du alles stehen und liegen und fährst auf kürzestem Weg in die Dienststelle. So haben wir das schon immer in meiner Abteilung gehandhabt, und so werden wir es auch in Zukunft machen.« Damit stand er auf und brachte eine reichlich verdatterte Claudia hinaus. Kaum hatte er die Tür hinter ihr geschlossen, knurrte sein Magen.
Flugs heftete ich meine Augen auf ihn: Und du brätst dir jetzt ein schönes Steak, denn von all dem Grünzeug hast du so richtig Hunger bekommen.
Beas Timing mit ihrer SMS war perfekt. Als Gregors Handy piepte, lag er satt und zufrieden auf der Couch.
»Mein Leben würde sich definitiv einfacher gestalten, wenn sich ein gewisser Jemand nicht ganz so rar machen würde. Habe schrecklich viele Fragen. Brauche ganz dringend Hilfe. Grüße, Bea Middelhauve«
Na, wie eine Liebeserklärung las sich das nun nicht gerade, aber soweit waren wir ja auch noch lange nicht. Ich musste grinsen. »Ein gewisser Jemand«. Das war eine Formulierung, die Gregor früher mir gegenüber regelmäßig benutzt hatte: »Ein gewisser Jemand könnte mal ...« Ob ihm das ebenfalls auffiel? Ich beobachtete ihn genau und versuchte jede seiner Gesichtsregungen zu erkennen. Einen Augenblick sah er in die Ferne.
Offenbar ist dir Bea gar nicht so unähnlich , regte ich seine Gehirnwindungen an.
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem leisen Lächeln. Dann schaute er wieder aufs Display.
Warum rufst du sie nicht einfach an und machst einen Termin aus? Montag oder Dienstag müsste doch bei dir klappen. Du kannst sie nicht noch länger hängen lassen.
Er stand auf und holte seinen Terminkalender aus dem Aktenkoffer, bevor er zum Handy griff und ihre Nummer wählte.
»Hallo, Frau Middelhauve. Hier spricht ein gewisser Jemand, dem es schrecklich leidtut, dass er Sie am Freitag so schamlos versetzt hat.«
Ich hörte Beas Lachen, verstand aber nicht, was sie sagte. Dafür sprach sie leider zu leise.
»Nein, ich habe wirklich ein megaschlechtes Gewissen und weiß gar nicht, wie ich es wiedergutmachen kann.«
Was für eine fabelhafte Formulierung!, schoss es mir durch den Kopf. Gregor, du bist ein Schatz! Damit hast du mir eine Steilvorlage gegeben, um Bea bei eurem nächsten Treffen zu fragen, ob du sie mal zum Essen einladen darfst.
»Wie schaut es denn Dienstagnachmittag bei Ihnen aus?«, fragte er unterdessen weiter. Offenbar hatte sie da bereits einen Termin. »Hm ... und morgen um vierzehn Uhr?« Er hörte zu, dann lächelte er. »Einverstanden, Frau Middelhauve, halb fünf ist auch okay. Ich werde da sein. Versprochen. Hoch und heilig. Bis dann. Ciao.« Er legte auf und schaute eine Weile in den Garten.
Eigentlich eine recht nette Frau, diese Autorin! , dachte ich behutsam. Und sie hat so ein sympathisches Lachen.
Die einträchtige Ruhe, mit der wir auf dem Sofa lagen und über Bea sinnierten, wurde durch das Läuten unserer Haustürglocke jäh unterbrochen.
»Hallo, Gregor. Störe ich?« Es war die Sabine Schneider.
»Nein, komm rein.«
»Ich wollte nur schauen, ob bei dir alles in Ordnung ist, weil du dich heute Morgen nicht bei mir hast blicken lassen.«
Er sah sie überrascht an.
»Ich dachte, du und deine Kollegin, ihr nehmt den Hund mit und kommt dann zum Frühstücken zu mir.«
»Ach so, ja.« Gregor zuckte bedauernd mit den Schultern. »Das hat sich leider nicht ergeben. Wir sind nach Kraftshof in den Wald gefahren und ziemlich lange weggeblieben.«
Ich war mir absolut sicher, dass Sabine das bereits wusste. Höchstwahrscheinlich hatte sie hinter der Gardine gestanden und sowohl den Aufbruch als
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