Lucy im Himmel (German Edition)
Wenn er lange genug klingelte, würde sie schon aufmachen.
Und weil ich nach wie vor mein Handy in der Hand hielt, wählte ich nun doch noch Gabriels Nummer.
»Ach Lucy, und ich dachte schon, du würdest mir ausnahmsweise vertrauen«, seufzte er zur Begrüßung. »Aber offenbar hat wieder einmal das weibliche Menschentemperament die Oberhand gewonnen. Also los, spuck's aus. Wie möchtest du mich nennen: Versager, Stümper oder lieber Dilettant?«
Sekundenlang verschlug es mir die Sprache. Gestand mir der Chefengel gerade, einen Fehler gemacht zu haben? Bat er um Nachsicht? Trotzdem konnte ich es nicht lassen, ihn anzumeckern.
»Wenn du mir nicht so strikt verboten hättest, mich um Bea zu kümmern, hätte sie nicht die Nerven verloren und das Date abgesagt. Sie hat mir nämlich anvertraut, dass sie es eigentlich nicht mag, sich von einem Mann zum Essen einladen zu lassen. Ich hätte sie ablenken und ihr Mut machen müssen. Dann hätten wir jetzt nicht so eine verfahrene Situation.«
»Lucy, Lucy. Dir ist also nicht der Gedanke gekommen, dass Frau Middelhauve dieses Treffen unbedingt absagen musste, damit die Geschichte weitergeht?«
Das machte mich sprachlos.
»Es war absolut gewollt, dass sie deinen Mann sitzen lässt. Und die Mühe, ihn zu animieren, bei Frau Middelhauve Sturm zu klingeln, kannst du dir sparen. Sie ist gar nicht zu Hause. Im Übrigen wäre es deinem Mann gegenüber nicht fair, ihn derart bloßzustellen. Sei eine Brave und schau, was er als Alternative machen möchte. Ich glaube, er hat bereits eine ganz exzellente Idee.«
Bis ich das Gespräch beendet und mein Handy weggepackt hatte, war mein Schatz aufgestanden und zwischen den Gräbern zum Hauptweg gegangen. Schnell rannte ich ihm hinterher. Während wir auf den Ausgang zuliefen, hielt ich meine Augen auf den Boden fixiert. Keinesfalls wollte ich, dass er meine Gedanken mitbekam. Ich bedauerte ihn nämlich dafür, dass dieses Mistding von einem Orakel es ihm so schwer machte, seine neue Frau kennen und lieben zu lernen!
Am Auto angekommen, entriegelte er die Türen und öffnete die Kofferraumklappe. Nanu?
»Wenn das mit dem Date heute Abend schon nicht klappt, gehe ich eben eine Runde schwimmen. Und zwar zur Abwechslung mal ins Freibad. Ich muss mir sowieso überlegen, wie ich Anna-Lena in Zukunft aus dem Weg gehen kann«, brummte er missmutig, während er die Schwimmtasche herausnahm, die noch vom Vortag darin lag.
Eine fantastische Idee! Das Westbad in der Wiesentalstraße war nicht weit. Körperliche Anstrengung unterstützte die Endorphin-Ausschüttung und war viel gesünder als eine Tafel Schokolade – auch wenn Letztere Gregors Figur nicht geschadet hätte. Also: Nichts wie hinein ins Vergnügen!
Während mein Liebling sich umzog und ins Wasser ging, erkundete ich das Terrain. Das weitläufige Gelände kam mir sehr entgegen, denn so konnte ich in der Zeit spazieren gehen, in der er schwamm und musste nicht die ganze Zeit gelangweilt in seiner Nähe herumlungern.
Natürlich traf mich fast der Schlag, als ich nach einer halben Stunde zum Becken zurückkam und in weniger als drei Meter Abstand Bea schwimmen sah!
Achtundzwanzigstes Kapitel
In dem Lucy den Geschehnissen kaum hinterherkommt
Offenbar hatten sich die beiden noch nicht gesehen. Oder hatte jeder für sich den anderen erkannt, zog es jedoch vor, ihn zu ignorieren? Sehr unwahrscheinlich. Was sollte ich tun? Bea auf mich aufmerksam machen, um sie sodann zu warnen, wer da in ihrer unmittelbaren Nähe schwamm? Aber wie? Wenn sie mich erblickte, würde sie mit mir reden. Und wenn sie mit jemandem sprach, den nur sie sah ... Das ging nicht!
Mein Hirn suchte noch fieberhaft nach einer Lösung, als Bea in ihrer Bahn schon wieder zurück geschwommen kam und ausgerechnet jetzt am Beckenrand stehenblieb. Mist! Ich hatte keine andere Wahl, ich musste mich hinter einem Startblock in Sicherheit bringen. Vorsichtig linste ich aus meinem Versteck. Legte sie nur eine kurze Verschnaufpause ein oder war sie mit ihrem Training fertig und ging? Letzteres würde die Situation ungemein entspannen. Leider war dem nicht so. Sie schob zwar die Schwimmbrille hoch, blieb aber im Wasser. Natürlich tauchte nur eine halbe Minute später mein Mann auf seiner Rückrunde auf. Wegen der vielen Leute musste er den einen oder anderen Bogen schwimmen und kam unweigerlich immer
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