Lucy im Himmel (German Edition)
Eingeweide zu rumoren. Mist! Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Ich suggerierte Gregor, dass wir noch ganz viel Zeit hatten und er es sich noch ein bisschen auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich machen sollte, dann flitzte ich aufs Klo. Eine Viertelstunde später war ich auch endlich so weit. Es konnte losgehen. Völlig verblüfft stellte ich fest, dass wir fast anderthalb Stunden zu früh dranwaren. Ich seufzte. Trotzdem, wir fahren jetzt, dann können wir ja noch ein bisschen herumschlendern!, dachte ich mir.
Erst als mein Mann auf halbem Weg zwischen Beas Wohnung und dem Johannisfriedhof parkte, wurde mir bewusst, dass er offenbar dasselbe im Sinn gehabt hatte: Er wollte vor seinem Date einen Spaziergang machen ... allerdings zu meinem Grab. Durfte ich das zulassen? Am Ende käme er völlig verheult bei Bea an. Aber Gabriel hatte mir ausdrücklich befohlen, mich herauszuhalten. Galt das für alle Eventualitäten oder ...
Mein Handy piepte: Denk daran, was ich dir gesagt habe!!!
Okay. Das war eindeutig. Mir blieb keine andere Wahl, als meinem Mann mit reichlich gemischten Gefühlen hinterherzustapfen.
Auf dem Friedhof schaute ich mich hektisch um. Es wäre wirklich zu blöd, wenn Bea noch auf ihrer Bank saß und an ihrem Manuskript arbeitete. Schlimmer: Sie könnte hier herumlaufen und plötzlich unvermittelt vor uns stehen. Wie hätte ich ihr dann erklären sollen, warum ich mit ihrer Verabredung spazieren ging, während Gregor das alles nicht hätte mitbekommen dürfen?
Aber dann erinnerte ich mich an die Uhrzeit und atmete auf. Bea musste längst zu Hause sein. Wie jede normale Frau würde sie in diesem Augenblick vor dem Spiegel stehen, sich schminken und hin- und herüberlegen, was sie anziehen sollte.
Etwas entspannter folgte ich meinem Mann, beäugte ihn aber trotzdem weiterhin kritisch. Falls seine Stimmung kippte, musste ich schnell eingreifen können – egal welch grausame Strafe Gabriel mir androhte. Im Zweifelsfall würde ich ihn hoffentlich davon überzeugen, dass ich hatte einschreiten müssen.
Mein Liebling blieb jedoch völlig ruhig. Er ging zu meinem Grab und entsorgte zunächst den mittlerweile verwelkten Blumenstrauß von seinem letzten Besuch. Anschließend setzte er sich auf meinen Grabstein und erzählte mir, was er in der letzten Woche erlebt hatte. Er war gerade dabei, mir zu berichten, dass er heute Abend mit einer Schriftstellerin essen gehen würde, als sein Handy piepte.
Beide fuhren wir erschrocken zusammen. Himmel! Lass das jetzt nichts Dienstliches sein. Bitte! Gregor zog sein Telefon aus der Hosentasche und schaute nach.
Muss unser Treffen leider absagen. Sorry, ich kann einfach nicht. Bea Middelhauve.
Ich sprang auf. Also doch! Beas Nerven hatten ihr einen Streich gespielt. Und alles bloß, weil ich mich heute Nachmittag nicht um sie gekümmert hatte. Und warum hatte ich das nicht getan? Weil Gabriel es mir verboten hatte! Und, weil ich blöde Kuh mich auch noch daran gehalten hatte, anstatt ihm klarzumachen, dass er nun wirklich keine Ahnung davon hatte, wie eine Menschenfrau, geschweige denn Bea, tickte. Und überhaupt, ich war für sie verantwortlich, mich konnte sie sehen – nicht ihn. Ich stand in ihrem ›Buch des Lebens‹!
Vor lauter Ärger hätte ich Gabriel am liebsten sofort angerufen und zur Schnecke gemacht, aber mein Schatz hielt mich davon ab. Er saß wie ein Häuflein Elend auf meinem Grabstein.
»Tja, Lucy, mein Engel. Offenbar hast du mir kein Glück gebracht. Das war gerade die Autorin. Sie hat abgesagt. Na ja, da kann man nichts machen.«
Die schier grenzenlose Wut auf mich selbst und auf Gabriel trieben mir Tränen in die Augen. Das durfte nicht wahr sein. Da rackerte ich mich ab, um auch nur ja alle Frauen in Gregors Umfeld glücklich und zufrieden zu machen, damit bei ihnen alles nach dem Willen des Orakels passierte, und dann? Dann ging bei den beiden Hauptpersonen, die mir am Herzen lagen, alles schief. Aber nun war keine Zeit zum Lamentieren. Jetzt waren Taten gefordert!
Ich hielt mein Handy schon in der Hand, um Bea anzurufen, als mir einfiel, dass ich offiziell gar nicht wusste, dass sie heute Abend mit meinem Göttergatten verabredet war. Genauso wenig konnte ich ihre Absage gerade eben mitbekommen haben. Hm, Moment mal! Das war doch die Lösung: Gregor musste die SMS einfach ignorieren und trotzdem zu ihr gehen.
Weitere Kostenlose Bücher