Lucy in the Sky
unserem Dad. Und unsere arme Mum wäre am liebsten die Wände hochgegangen. Sie hatte immer Angst, dass wir irgendwann mal jemanden ins Auge treffen oder so.«
Ich kuschle mich näher an ihn und ziehe die Decke über unsere Beine.
»Ich würde deine Stiefbrüder gerne kennenlernen«, sagt er.
»Ja, das wäre schön. Schade, dass du nicht mal für ein Wochenende nach Somerset kommen kannst, solange du da bist.«
Er antwortet nicht. Natürlich wäre es ihm absolut möglich, nach Somerset zu kommen, aber die Zeichen dafür stehen schlecht. Anfang Dezember fahre ich mit James zu meiner Mum, und ich bezweifle, dass sich vorher noch etwas ergibt. Ohne James kann ich Nathan nicht einladen, und ich würde es nie wagen, James zu fragen, ob Nathan an unserem Wochenende mitkommen kann.
Eine Weile später taucht James wieder auf. Der einzige freie Platz auf den Decken ist ganz auf der anderen Seite neben Martin und Gemma, und er sieht nicht sehr erfreut aus. Mit großem Bedauern drücke ich Nathans Arm und stehe auf, um zu James zu gehen. In der kalten Luft fange ich sofort an zu frösteln.
»Wie geht es Zoe?«, frage ich ihn.
»Nicht so besonders.«
»Jetzt hast du das ganze Feuerwerk verpasst«, sage ich, obwohl ich weiß, dass ihn das ärgern wird.
»Macht nichts, wir haben immerhin ein bisschen was von ihrem Balkon aus gesehen.«
Auf einmal bin ich es, die sich ärgert. »Oh, das ist ja nett. Dann hast du dir das Feuerwerk also mit ihr angesehen?«
»Lucy, bitte«, brummt er, fährt sich mit der Hand durch die Haare und sieht auf London hinunter. »Warum sind Frauen denn immer so … so anstrengend?«
»Charmant!«, fauche ich.
»Sorry, sorry«, beschwichtigt er mich. »Himmel, ist das kalt!«
»Allerdings. Ich erfriere«, stimme ich ihm zu und werfe einen sehnsüchtigen Blick auf die Decke, die immer noch über Nathans Beinen liegt. Aber er sieht mich nicht an, also können wir uns auch nicht vielsagend zulächeln. Ich wende mich wieder James zu, der mein Gesicht taxiert.
»Was denn?«
»Nichts«, antwortet er ausweichend, zieht mich an sich und fängt an, meine Arme zu reiben, um mich zu wärmen. »Wollen wir bald gehen?«, fragt er dann. »Ich bin total müde.«
Als wir später auf dem Nachhauseweg in der U-Bahn sitzen, sagt James plötzlich: »Es hat mir überhaupt nicht gefallen, dass du so dicht bei Nathan gesessen hast, als ich zurückgekommen bin.«
»Na ja, du bist schließlich zu Zoe abgehauen!«, kontere ich einigermaßen empört.
Er seufzt. »Schon gut, ist nicht so wichtig. Ich sag ja nur, dass es mir nicht gefallen hat. Ich war ein bisschen … ein bisschen eifersüchtig«, fügt er hinzu.
»Dazu hast du keinen Grund.« Ich tätschle sein Bein.
»Mir wäre es lieber, wenn du nicht allzu viel Zeit mit ihm alleine verbringst.«
»Ach, mach dir da mal keine Sorgen«, entgegne ich. »Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte. In der Woche bin ich mit Arbeit eingedeckt, und an den Wochenenden können wir alle zusammen was machen. Du und ich hatten doch vor, mehr zu unternehmen, und jetzt haben wir endlich einen guten Grund dafür, oder nicht?«
»Ja, kann schon sein.« Aber er lächelt etwas unbehaglich.
»Mit Nathan bist du ganz anders als mit James, weißt du das eigentlich?«, sagt Chloe am folgenden Montagmorgen bei der Arbeit.
»Ja?« Die Feststellung macht mich etwas verlegen.
»Doch, das ist echt auffällig«, beharrt sie. »Stimmt doch, oder Gemma? Irgendwas an der Art, wie ihr miteinander redet. Und du lachst viel mehr!«
»Aber ich lache doch auch mit James«, erwidere ich abwehrend.
»Na klar«, beschwichtigt sie mich. »Aber es ist anders. Ach, vergiss es«, meint sie, als sie mein Gesicht sieht. »Vergiss es einfach.«
Aber ihre Bemerkung geht mir nicht aus dem Kopf. Wenn Nathan in der Nähe ist, rede ich mehr. James und ich haben nicht die gleiche Art, entspannt zu plaudern. Aber bin ich bei Nathan mehr ich selbst? Oder kommt dann einfach nur ein anderer Aspekt meiner Persönlichkeit zum Vorschein? Jedenfalls mag ich mich selbst lieber, wenn ich mit ihm zusammen bin. Und das an sich ist schon ziemlich verwirrend.
Im Lauf der nächsten Wochen schließt James sich dem einen oder anderen Ausflug an, den Nathan und ich machen. Wir besichtigen das Millenium Wheel, besuchen die Museen und sogar den Tower of London. Richard ist immer dabei und ein paar Mal sogar Ally. Die beiden scheinen gut miteinander auszukommen, was gleichermaßen beruhigend und enttäuschend ist. Mir
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