Lucy in the Sky
mich, ob er manchmal an mich denkt. Muss er doch, oder? Bestimmt.
Ich gehe ins Schlafzimmer, hole den Walkman mit seiner Kassette hinten aus dem Schrank und setze die Kopfhörer auf. »When We Were Young« von The Killers dröhnt in meine Ohren. Mit einem dicken Kloß im Hals lese ich Mollys Brief noch einmal.
Gegen Mitternacht kommt noch eine SMS von James. Ich hab im Lauf des Abends schon mehrere gekriegt. er hält mich auf dem Laufenden. Die jetzige lautet:
Verasckt bei Jezza
Vermutlich meint er ›versackt‹. Und vermutlich meint er Jeremy, einen blöden Arbeitskollegen, den er nur »Jezza« nennt, wenn er nicht anwesend ist. Außerdem vermute ich, dass mein Freund besoffen ist. Großartig.
Komischerweise macht es mir aber gar nicht so viel aus. Ich nehme den Walkman, die Fotos und den Brief mit ins Bett. Dort liege ich, höre die Musik und durchlebe im Geist noch einmal die Zeit, die ich mit meinem Surfer verbracht habe. Wenn James jetzt heimkommt und mich so vorfindet, muss ich ihm den Walkman wohl oder übel erklären. Aber ich lausche der Musik, ganz gleich, was für Folgen es hat. Endlich sehe ich Nathan wieder klar vor mir.
Kapitel 15
Ich wache früh auf. Es ist grade mal Viertel vor sieben. Immer noch keine Spur von James. Die Fotos, der Brief und der Walkman liegen neben mir auf dem Nachttisch. Ich greife nach den Bildern. Als ich mir das mit Nathan ansehe, fühl ich mich wieder ganz flau.
Ich kann nicht aufhören, mir vorzustellen, was passiert wäre, wenn ich ihn damals geküsst hätte. Wenn er in der Nacht bei mir geblieben wäre, meiner letzten Nacht in Sydney. Was wäre aus uns geworden? Und aus James und mir?
Nach einer Weile stehe ich auf und gehe unter die Dusche. Wieder zurück im Schlafzimmer, in das kaltes Morgenlicht fällt, weiß ich, dass ich den Walkman besser wegräumen sollte, aber die Fotos lasse ich draußen. Wann kommt James nach Hause? Es ist seltsam, dass er letzte Nacht bei Jeremy geblieben ist, normalerweise nimmt er in solchen Fällen einfach ein Taxi. Vielleicht hat er um die Zeit keines mehr gekriegt. Zweifel nagen an mir, aber ich brauche nur Mollys Brief anzuschauen, und schon werde ich ruhiger. Ich werde sie jetzt anrufen. In Sydney ist es fünf Uhr, Samstagnachmittag, da arbeitet sie vielleicht. Aber einen Versuch ist es wert. Ich gehe ins Wohnzimmer und nehme das Telefon mit zum Sofa. Die Nummer kann ich auswendig, obwohl ich sie so selten anrufe. Doch gerade als ich anfangen will zu wählen, beginnt das Telefon zu klingeln, so laut, dass es mir in den Ohren wehtut.
»Hallo?«, melde ich mich zögernd und frage mich, ob es womöglich Molly ist. Oder James?
Eine tiefe Stimme antwortet: »Maus und Elefant kommen an eine wacklige Brücke. Sagt die Maus: ›Die sieht reichlich zerbrechlich aus. Ich geh mal rüber, und wenn sie hält, kannst du nachkommen.‹« Mein Herz hüpft förmlich vor Freude, ich bin so glücklich, dass ich in lautes Lachen ausbreche.
»Wie geht es dir?«, frage ich, als ich mich einigermaßen beruhigt habe.
»Nicht schlecht, danke«, antwortet Nathan. »Und dir?«
»Es ist so schön, deine Stimme zu hören.«
»Ebenfalls«, antwortet er leise. Ein paar Sekunden schweigen wir beide.
»Gestern hab ich einen Brief von Molly bekommen, in dem hat sie erzählt, was du so machst«, sage ich.
»Wirklich?«
»Ja, ich weiß Bescheid über dein Haus und den Job. Und über Amy … «
»Ja, das war ganz schön hart.« Er zögert, und ich warte, dass er weiterspricht. »Aber jetzt geht es ihr wieder gut.«
»Ja?«, frage ich hoffnungsvoll. Ich möchte, dass es Amy gut geht. Nur nicht mit ihm.
»Ja, sie arbeitet jetzt bei ihrem Vater im Büro.«
»Wow«, sage ich. »Dann klettert sie bestimmt in null Komma nichts die Karriereleiter hoch.«
»Ja, wahrscheinlich schon.« Ich weiß, dass er lächelt.
»Aber was ist mit dir? Erzähl mir von dem Haus!«
»Na ja, es hat vier Wände, ein Dach … «
»Ach, hör auf, Witze zu machen. Renovierst du es?«
Er erzählt mir von seiner Arbeit an dem Haus, wie viel Spaß es ihm macht, alles bis auf die Grundmauern rauszuschmeißen und es dann wieder aufzubauen. Wie es sich anhört, wird er es womöglich in ein paar Wochen fertig haben.
»Und was machst du dann?«, frage ich weiter.
»Dann hab ich vor, es zu verkaufen. Und mit dem nächsten anzufangen.«
»Wow.« Ich bin so beeindruckt, dass ich kaum sprechen kann.
»Und was passiert in deinem Leben so?«, will er wissen.
Ich erzähle ihm von der
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