Lucy kriegt's gebacken
bevor die Saison offiziell vorbei ist. Lenny’s, Bunny’s, Catering by Eva, Cakes by Kim und natürlich Starbucks werden dabei sein, unterstützt vom Lions Club, dem Exchange Club und dem Verbund polnischer Frauen, die ihre Piroggen feilbieten, als stünde das Ende der Welt bevor.
In der Vergangenheit hat Bunny’s immer dieselben langweiligen und wie Kürbisse geformten Kekse mit einer so harten Glasur angeboten, dass Katie Rose Tinker sich vor drei Jahren daran einen Zahn ausgebissen hat. Letztes Jahr hatten wir am Anfang vier Dutzend und zum Schluss sechsundvierzig, und das auch nur, weil Ethan für sich und Nicky jeweils einen gekauft hat. Nickys kleine Zähne waren nicht dazu geschaffen, die harte Glasur zu durchbeißen, weshalb Ethan den Keks diskret in den Müll warf, während er seinen eigenen tapfer aufaß. Als ich ihm mein Mitgefühl für seine kulinarische Wahl ausdrückte, grinste er nur.
Am Mittwoch trifft sich die Belegschaft des Bunny’s zu einer unserer äußerst seltenen Besprechungen. Jorge hält sich im Hintergrund, trinkt das Gebräu, das er als Kaffee bezeichnet, und fährt sich mit der Hand über den kahlen Kopf, um sich schon mal mental auf die vor ihm liegende Tortur einzustellen.
„Okay“, beginne ich. „Am Columbus Day findet die ‚Taste of Mackerly‘ statt, deshalb …“
„Ich habe da eine Warze“, verkündet Rose und beugt sich vor. „Hier, direkt unter dem BH.“ Sie hebt ihre rechte Brust und deutet darauf. „Carmella Bronson meinte, ich könnte sie einfach mit der Nagelschere abschnippeln, aber ich habe Angst, dass es dann nicht mehr zu bluten aufhört.“
„Geh zu einem plastischen Chirurgen“, schlägt meine Mutter ihr vor. „Ich denke momentan auch über Botox nach.“
„Okay, was das Wochenende betrifft“, sage ich. „Ich denke, wir sollten dieses Jahr aufs Ganze gehen. Ich habe da diese köstlichen …“
„Botox? Das ist Spinnengift“, meint Iris. „Man muss schon ziemlich blöd sein, um sich Spinnengift ins Gesicht spritzen zu lassen.“
„Das ist ein Bakterium. Botulismusbakterie. Kein Gift“, erkläre ich. „Jedenfalls, ich dachte, wir könnten …“
„Ich weiß, was das ist, Fräulein Oberschlau.“ Iris winkt herablassend ab. „Meine Tochter ist schließlich Lesben-Ärztin.“ Sie wendet sich an meine Mutter. „Warum solltest du dir eine Spritze voller Bakterien ins Gesicht piksen lassen, Daisy? Hast du über Nacht den Verstand verloren?“
„Ich möchte einfach so gut aussehen wie möglich.“ Meine Mutter rückt ihren Schal zurecht.
„Außerdem müssen wir über das Angebot von NatureMade sprechen“, versuche ich es erneut. Jorge grinst.
„Eitelkeit ist eine Sünde“, erklärt Iris und streicht ihr Hemd glatt, das aussieht, als ob es früher ihrem vor langer Zeit verstorbenen Pete gehört hätte.
„Und was ist jetzt damit? Soll ich vielleicht rumlaufen und aussehen wie eine Ziege mit Warzen am ganzen Körper?“, fragt Rose verdrossen. „Oder Ebola bekommen, weil ich sie mir selbst abgeschnippelt habe?“
„Das wäre dann Tetanus, Tante Rose“, sage ich. „Und schneide sie nicht selbst ab. Geh zu einem Arzt, okay? Jetzt zurück zu …“
„Wo wir gerade von Spritzen sprechen, habt ihr schon eure Grippeimpfung bekommen?“, fragt Mom ihre älteren Schwestern.
Seufzend lasse ich mich auf einen Stuhl plumpsen und warte ab. Nach etwa zwanzig Minuten gelingt es mir endlich, die „Taste of Mackerly“ wieder ins Gespräch zu bringen, und wie immer werde ich, was die Kürbiskuchen betrifft, überstimmt. Laut Iris sind die Leute ganz wild darauf.
Daraufhin erkläre ich ihnen die Details von NatureMades offiziellem Angebot - wie viele Brote wir ausliefern müssten, wie sich der Tagesablauf im Bunny’s ändern würde und dass wir somit künftig natürlich auch unter der Aufsicht dieser Firma stehen würden.
„Also, was meint ihr?“, frage ich zum Schluss.
Mom mustert ihre Fingernägel, wie immer erstaunlich desinteressiert an der Bäckerei, in der sie schließlich seit unendlich vielen Jahren arbeitet. Iris und Rose hingegen sitzen da wie übellaunige Trolle, böses Gesicht, Arme vor der Brust verschränkt. Jorge, der sich noch immer im Hintergrund herumdrückt, um nichts zu verpassen, lacht lautlos und schenkt sich Kaffee nach.
„Ich mag es überhaupt nicht, wenn uns irgendwelche Fremden erzählen, wie etwas gemacht wird“, meint Iris schließlich.
„Da muss ich Iris zustimmen“, zwitschert Rose und zupft an dem
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