Lucy kriegt's gebacken
unser Apartment für zehn Riesen mehr verkaufen, als wir bezahlt haben, und ich sage: ‚Tun Sie das, Lady. Wir gehen nach Hause.‘“ Er schweigt einen Moment. „Außerdem vermissen wir den kleinen Kerl.“
Ich hoffe, dass Ethan das gehört hat, doch der veranstaltet in der Küche immer noch einen Heidenlärm.
„Aber ihr hättet doch anrufen können“, sage ich zaghaft lächelnd. „Oder klopfen.“
„Wir dachten, du schläfst. Bei deinen Arbeitszeiten!“, verteidigt Marie sich. „Du hast uns den Schlüssel selbst gegeben! Freust du dich denn gar nicht, uns zu sehen?“ Ihrem Gesicht ist deutlich anzusehen, wie hintergangen und verletzt sie sich fühlt.
„Nun, na klar freue ich mich“, stottere ich. „Ich freue mich sehr, euch zu sehen. Es ist nur, tja … wisst ihr. Die Umstände.“
„Wir wollten dich überraschen.“ Marie schiebt schmollend die Unterlippe vor.
„Und das habt ihr auch!“, entgegne ich mit einem gezwungenen Lächeln.
Gianni schüttelt mit geschlossenen Augen den Kopf. „Dieser Ethan. Was habe ich nur falsch gemacht? Erst dieser schifoso Milchshake. Und jetzt ist er auch noch arrapato auf die moglie seines Bruders.“
In der Küche kracht etwas zu Boden.
„Er ist kein schlechter Mensch“, wispert Marie und tätschelt ihrem Mann den Arm.
„Okay, hört zu. Ähm, ihr habt recht. Ethan ist kein schlechter Mensch“, beginne ich. So viel zum Thema zweifelhaftes Kompliment. „Er ist sogar ein sehr guter Mensch. Und ihr wisst ja, wie er immer für mich da war, seit Jimmy …“
„Und jetzt wissen wir auch, wieso“, grollt Gianni.
„Nein! So war das nicht. Er …“ Ich breche ab. „Hört zu. Ich liebe euch beide. Und ihr wisst doch, dass ich, ähm, jemanden kennenlernen wollte.“ Ich widerstehe dem Bedürfnis, mein Hochzeitsfoto anzusehen. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass Ethan …“ Der Richtige sein könnte, wollte ich sagen, aber Marie unterbricht mich.
„Der Zweitbeste ist?“, fragt sie. Dann verzerrt sich ihr Gesicht, und sie beginnt zu schluchzen. „Wenn du es so ausdrückst, ergibt das alles irgendwie einen Sinn.“
„Also, nein, Marie, ich suche keinen zweiten …“
Gianni schnaubt. „Wenn du einen zweiten Jimmy suchst, wirst du ihn mit Ethan sicher nicht finden, so viel steht fest.“
„Ich suche nicht nach einem anderen Jimmy“, sage ich betont langsam zu meinem Schwiegervater. „Ethan ist ganz anders als Jimmy.“
„Wem sagst du das!“, brüllt Gianni. „Seine ganze Arbeit besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Leute nichts mehr essen! Das ist wie ein Schlag ins Gesicht, eine Beleidigung meines Lebenswerks.“
„Vielleicht mögen die Leute dein Lebenswerk ja gar nicht so sehr, wie du dir einbildest“, zischt Ethan von der Küchentür aus. Dann knallt er das Tablett mit Kaffeekanne, Tassen und einem Teller mit Kuchenscheiben auf den Couchtisch. „Vielleicht ist ein Milchshake ja mal eine willkommene Abwechslung zu überkochten Nudeln und zähem Kalbfleisch.“
„Du bist ein undankbarer kleiner …“
„Okay! Hört auf!“, befehle ich. „Ethan. Deine Eltern sind erschüttert, okay? Beruhige dich.“ Er starrt mich finster an. Ich wende mich wieder an Gianni, der mich nicht weniger böse anschaut. „Gianni, bitte sag jetzt nichts, was du später bereuen wirst. Ethan ist auch dein Sohn.“
„Nur nicht annähernd ein so guter wie der Heilige Jimmy“, zischt Ethan.
„Hör auf“, flüstere ich ihm zu. Ethan setzt sich kochend vor Wut und mit falsch zugeknöpftem Hemd neben mich, absichtlich nah. Ich atme tief ein und werfe Marie einen um Solidarität heischenden Blick zu, doch sie mustert gerade den Kuchen. „Vor ein paar Wochen haben Ethan und ich …“
„Lucy und ich sind ein Paar“, unterbricht Ethan mich. „Ihr könnt entweder ein Problem damit haben - ich schätze, das habt ihr bereits - oder es akzeptieren. Das wäre sicher leichter, wenn ihr mich für gut genug halten würdet, aber das wäre ja das Ende dieses kleinen italienischen Melodrams. Jedenfalls, falls ihr mit eurem einzigen überlebenden Sohn auskommen wollt, der zufällig auch noch der Vater eures einzigen Enkelkindes ist, solltet ihr jetzt besser auf eure Umgangsformen achten.“
„Und du achte darauf, wie du mit deiner Mutter sprichst“, faucht Gianni ihn an.
„Ethan, du kannst es uns nicht übel nehmen, dass wir schockiert sind“, ruft Marie. „Wir haben dich gerade dabei erwischt, wie du weiß Gott was mit Jimmys Frau gemacht
Weitere Kostenlose Bücher