Lucy kriegt's gebacken
Schokolade verkaufen und …“
„Also, wie ist es?“, möchte Iris wissen. „Vergleichst du die beiden ständig miteinander?“
„Nein, um genau zu sein …“
„Ich dachte, das wäre illegal“, überlegt Rose laut. „Iris, du hast mir doch gesagt, das wäre gegen das Gesetz.“
„Also, wie lange läuft das schon?“, fragt Iris, die gerade mit chirurgischer Präzision ihren Coral-Glow-Lippenstift aufträgt.
„Darüber möchte ich lieber nicht sprechen.“ In diesem Moment bimmelt die Glocke über der Tür. Gott sein Dank. Captain Bob. „Hallo, Bob! Was kann ich für Sie tun?“
„Ich, ähm, hallo, die Damen.“ Er richtet seine blutunterlaufenen Augen auf meine Mutter. „Guten Morgen, Daisy. Sie sehen heute ganz reizend aus.“
„Bob. Vielen Dank.“ Meine Mutter betrachtet ihn herrisch, dann geht sie in ihr Büro und schließt die Tür hinter sich.
„Warum lieben Männer gerade die Frauen, die sie schlecht behandeln?“, frage ich Captain Bob.
„Selbsthass“, antwortet er. „Was ist da mit dem Schwager los?“
„Ich bin mit Ethan zusammen.“
Er hebt überrascht die buschigen Augenbrauen. „Jimmys Bruder?“
„Ja.“
„Oh.“ Er mustert das Tablett mit den zähen Quarktaschen, die Rose gerade in die Auslage schiebt. „Könnte ich eine Kirsch-Quarktasche haben? Und wie läuft es? Mit Ethan, meine ich?“
„Äh … gut. Sehr gut.“ Die Bäckerei füllte sich gerade mit den wenigen morgendlichen Stammkunden, die wir haben.
„Ich dachte immer, Ethan wäre so ein anständiger Kerl“, sagt Rose, die gerade Mr. Maxwells gerolltes Kleingeld zählt.
„Er ist anständig, Rose. Das weißt du genau.“
„Er und Lucy“, erläutert meine Tante den Kunden. „Sie ist mit dem Bruder ihres verstorbenen Mannes, ähm, zusammen.“
„Ist das denn kein Inzest?“, fragt Mr. Maxwell mit gerunzelter Stirn.
„Nein, das ist kein Inzest!“, fauche ich. „Er ist schließlich nicht mein Bruder. Er ist …“
„Lucy! Du musst nach dem Brot sehen!“, ruft Iris.
Ich stürme in die Backstube und reiße die Backofentür auf. Himmel! Zum ersten Mal im Leben hat mich meine innere Uhr im Stich gelassen, das Brot ist jetzt nussbraun statt golden. Verflixt noch mal. Vier Dutzend Brote, unverkäuflich. Nicht zu fassen. Jorge klopft mir auf die Schulter, und seufzend sehe ich im Gärschrank nach, ob ich noch genug Teig habe.
Gegen zehn ziehe ich meine Jacke über, um für mein Vormittagsschläfchen nach Hause zu gehen. Rose kann es nicht erwarten, mich endlich so richtig auszuquetschen - den ganzen Morgen über hat sie kleine Kommentare fallen lassen, und ich brauche jetzt wirklich mal meine Ruhe.
„Bis in ein paar Stunden, Mom“, rufe ich in ihr winziges Büro.
„In Ordnung, Liebling.“ Sie blickt nicht mal von ihrem Bildschirm auf, auf dem gerade eine Partie Solitär in vollem Gange ist. Meine Mutter ist die einzige schwarze Witwe, die sich noch nicht zu meinem Liebesleben geäußert hat, und auf einmal sehne ich mich nach einem mütterlichen Rat.
„Hast du mal eine Sekunde?“ Ich lehne mich an den Türrahmen. Ich bin ziemlich erschöpft - aus offensichtlichen Gründen habe ich nicht besonders gut geschlafen, sondern mich die ganze Nacht hin und her gewälzt und damit Fat Mikey ziemlich genervt.
„Klar.“ Sie klappt ihren Laptop zu.
Moms Büro ist gerade mal groß genug für ihren Schreibtisch und einen kleinen Besucherstuhl, der in der Ecke steht. Ich muss ziemlich kämpfen, bis es mir schließlich gelingt, die Tür für ein kleines Mutter-Tochter-Gespräch zu schließen.
„Also. Ethan und ich sind, ähm, zusammen“, beginne ich.
„Ich weiß.“
„Hast du Marie heute Morgen also auch getroffen?“
„Ja. Sie war ziemlich bestürzt.“
Ich krümme mich innerlich - hoffentlich fühlte sich meine Schwiegermutter nicht verpflichtet, sämtliche Details unseres Zusammentreffens auszuplaudern. Aber ich kenne sie leider gut genug.
„Wie ich gehört habe, haben sie dich und Ethan auf der Couch erwischt.“
„Richtig.“ Mein Gesicht wird heiß. Ich hole tief Luft. „Also, was denkst du?“
Mom richtet sich etwas auf. „Worüber?“
„Über Ethan und mich“, sage ich gereizt.
Sie zuckt mit den Schultern. „Du musst tun, was du tun musst, Liebling.“
„Ich könnte hier wirklich einen Rat brauchen, Mom.“
Mit geschürzten Lippen betrachtet das gerahmte Foto von Emma, das seit Kurzem auf ihrem Tisch steht. „Ich weiß, dass du dir ein Baby wünschst.“
„Sicher.
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