Lucy kriegt's gebacken
versuche ich es.
„Du hast es deinem stummen Angestellten erzählt. Sonst jemandem?“
„Ähm …“
„Verstehe.“ So wie er die Zähne zusammenbeißt, würde es mich nicht wundern, wenn er gleich einige davon ausspuckt.
„Ethan, warum setzen wir uns nicht und …“
„Ehrlich gesagt möchte ich lieber stehen.“
„Gut.“ Ich überlege, eine Hand auf seinen Arm zu legen, dann überlege ich es mir anders. „Ethan, es ist so. Ich weiß, dass du das jetzt nicht gern hören willst, aber egal.“ Er hebt eine Augenbraue. „Ich habe Angst.“
„Das ist offensichtlich, Lucy. Und wann, denkst du, wirst du diese Angst überwinden?“ Jetzt scheint ihm aufzufallen, wie barsch er klingt, denn er blickt zu Boden. „Tut mir leid“, murmelt er.
Ich atme tief ein. „Ethan, sieh mal. Dass Jimmy gestorben ist, hat mich verändert. Damals war ich dieses alberne, glückliche Mädchen, ein Teil eines Ehepaares. Ich habe mich so auf den Rest meines Lebens gefreut. Und dann, als Jimmy gegen den Baum gefahren ist …“
In Ethans Augen blitzt etwas auf, er nickt halb.
„Ethan, du weißt - du weißt es besser als jeder andere -, wie schwer es für mich war, irgendwie wieder ins Leben zurückzufinden. Jedes Wochenende musstest du mich praktisch vom Boden aufkratzen. Und erst als … Ich weiß nicht - es musste sich sozusagen ein Narbengewebe über meinem Herzen bilden, damit ich überhaupt die Tage durchstehen konnte. Und es waren so viele Tage, Ethan.“ Meine Stimme klingt erstickt.
„Lucy, das weiß ich alles. Aber du musst einfach mal entscheiden, wann du mich … als würdig betrachtest oder was weiß ich.“
Ich schlucke. Mal wieder. „Aber das bist du doch, Ethan. Die Sache ist die: Als ich Jimmy verloren habe, habe ich auch mich selbst verloren. Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht …“
Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht liebe . Ist doch klar, dass ich es so meine, auch wenn ich das letzte Wort nicht ausspreche. „Es ist nicht so, dass du mir nicht wichtig bist, Ethan. Das weißt du.“
Er scheint zu verstehen, dass ich im Moment nichts Besseres anzubieten habe.
„Du hast gesagt, du würdest Geduld haben“, flüstere ich.
„Das versuche ich ja. Aber ich kann nicht ewig warten.“
„Ich versuche es doch!“, stoße ich aus. „Merkst du das denn nicht? Die ganze Sache gerade auf der Couch und auf dem Segelboot - ich versuche es, Ethan.“
Er rammt die Fäuste in seine Hosentaschen. „Besten Dank, Lucy. Tut mir leid, dass es so eine Qual für dich ist.“
„Es ist keine Qual! Bitte, Ethan, ich mache das, weil ich es will. Aber es ist schwer. Und für deine Eltern ist es auch schwer. Vorhin haben sie die Frau ihres toten Sohnes mit einem anderen gesehen. Selbst wenn es ihr anderer Sohn ist, Eth, versuch dich doch mal in ihre Lage zu versetzen.“
Er sieht mich abwartend an, aber da ich heute Abend offenbar immer das Falsche sage, strecke ich nur die Hand aus und lege sie auf sein Herz.
Und nach kurzem Zögern legt er seine Hand auf meine.
„Ich geh dann mal besser nach oben“, sagt er schließlich. „Um mich zu vergewissern, dass Dads Blutdruck wieder gesunken ist.“
„In Ordnung“, sage ich leise. „Dann sehen wir uns morgen.“
„Höchstwahrscheinlich.“ Er lässt mich mit dem Gefühl zurück, ihn enttäuscht zu haben. Dabei habe ich doch nur die Wahrheit gesagt.
26. KAPITEL
„Also bist du lefekszik mit Ethan?“
So werde ich am nächsten Morgen begrüßt, als Iris und Rose in die Bäckerei kommen. Ich weiß nicht, wieso ich überhaupt überrascht bin. In dieser Stadt verbreiten sich Gerüchte nun einmal rasend schnell.
„Hi, Iris, hi, Rose.“ Ich zögere einen Moment. „Wenn ihr mit diesem merkwürdigen Wort meint, ob ich … ob ich mit Ethan zusammen bin, dann lautet die Antwort ja. Woher wisst ihr das?“
„Ich habe deine Schwiegermutter bei Starbucks getroffen.“ Iris zeigt mit ihrem Kaffeebecher in die entsprechende Richtung. Jetzt betritt meine Mutter die Bäckerei, ebenfalls einen dieser umweltfreundlichen Becher in der Hand.
„Findet ihr wirklich, dass ihr alle zu Starbucks gehen solltet?“, frage ich möglichst liebenswürdig. „Das ist unsere Konkurrenz, schon vergessen?“
„Hast du schon mal die heiße Schokolade probiert?“, fragt Rose. „Ich dachte, ich wäre gestorben und direkt im Himmel gelandet!“
„Ihr seid alle Verräterinnen“, murre ich. „Wenn ich bei uns endlich ein Café einrichten dürfte, würden wir auch heiße
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