Lucy kriegt's gebacken
Ausflug zu einem historischen Friedhof nicht weit von Mackerly gemacht, und das war vollkommen in Ordnung für mich. Einmal haben Jimmy und ich das Wochenende in Orleans auf Cape Cod verbracht und einen wunderschönen Friedhof entdeckt, auf dem wir sogar ein Picknick zwischen den Granitgrabsteinen und den uralten traurigen Geschichten veranstalteten. Doch diesen speziellen Friedhof, auf dem so viele Männer meiner Familie liegen - diesen Friedhof kann ich einfach nicht betreten. Nach der Beerdigung war ich kein einziges Mal an Jimmys Grab. Darauf bin ich nicht stolz. Es gibt mir das Gefühl, eine schlechte Witwe zu sein, aber ich bin einfach nicht in der Lage, durch dieses Tor zu gehen.
Ich erreiche die Main Street, lasse meine Fahrradklingel ertönen, überquere dann die Kreuzung und flitze auf den Parkplatz der Bäckerei. Dort steht das Auto meiner Schwester. Oh, wie schön!
Jorge kommt gerade aus der Tür. „Hast du das Baby gesehen?“, frage ich. Er nickt grinsend. „Ist sie nicht hübsch?“
Wieder nickt er, Lachfältchen um die Augen.
„Bis später, Jorge.“ Er kommt später für die Nachmittagsauslieferungen zurück.
„Hi, Cory!“, rufe ich und drücke mich geschickt an den schwarzen Witwen vorbei, um einen Blick auf das Baby zu erhaschen. „Oh. Oh wow. Oh Corinne.“ Zwar habe ich Emma gestern erst gesehen, aber die Anfangsbegeisterung muss erst noch nachlassen. Das Baby schläft in den Armen meiner Schwester, die Haut rosa und weiß, die Lider so neu und durchsichtig, dass ich die Venen sehen kann. Es schürzt niedlich die Lippen, als es im Schlaf zu saugen beginnt.
„Sie hat Wimpern!“, verkünde ich erstaunt.
„Nicht so nah ran, Lucy“, murmelt Corinne und fischt ein Reisefläschchen Purell aus der Tasche. „Du bist eine Bazillenschleuder.“
Ich schaue meine Schwester an. Ihre Augen sind feucht. „Alles in Ordnung, Cor?“
„Mir geht es großartig“, wispert sie. „Ich mache mir nur Sorgen um Chris. Er ist letzte Nacht zweimal aufgewacht, weil das Baby geschrien hat. Er braucht seinen Schlaf.“
„Nun, du auch“, hebe ich hervor, während ich gehorsam meine Hände mit Desinfektionsmittel einreibe.
„Er braucht ihn mehr.“ Corinne steckt die Decke um Emma fest. „Er darf nicht schlappmachen. Er könnte krank werden.“
Meine Tante Iris wuselt herbei, sie trägt wie üblich ein Flanellhemd aus der Männerabteilung. Sie hält Corinne die Hände hin. „Vollkommen steril, Corinne, Liebes. Gib mir das Baby. Und setz dich hin.“
„Ich nehme das Baby!“ Meine Mutter schwebt herbei wie eine Königin. Heute trägt sie rote Lacklederschuhe mit acht Zentimeter hohen Absätzen und ein rot-weißes Seidenkleid (Mom backt niemals - sie kümmert sich ausschließlich ums Management). Sie stellt eine Tasse Kaffee und ein paar Kekse für Corinne auf den Tisch und streckt die Arme aus. Zaghaft überlässt Corinne ihr das Baby.
Moms Gesicht wird ganz weich vor Liebe, als sie ihr einziges Enkelkind ansieht. „Oh, du bist einfach perfekt. Ja, das bist du. Lucy, kümmere dich um Mr. Dombrowski.“
„Hi, Mr. D.“, sagte ich zu dem neunundsiebzigjährigen Mann, der jeden Nachmittag in die Bäckerei kommt.
„Guten Tag, meine Liebe“, murmelt er und betrachtet forschend unsere Vitrine. „Nun, das hier sieht interessant aus. Was ist das?“
„Das sind Kirschtörtchen.“ Ich erschauere leicht. Iris pampt dafür einfach einen Löffel Dosenkirschen auf tiefgefrorenen Teig. Nicht ganz das, was ich machen würde. Nein, ich würde diese wunderbaren Paoniakirschen aus Colorado nehmen - in Providence gibt es einen Laden, der sie extra einfliegen lässt. Etwas Zitronenquark, einen Klacks Sahne, Zimt, vielleicht einen Spritzer Balsamico-Essig, um die Süße zu betonen, wobei ich wegen der Zitrone vielleicht eher …
„Und das? Was ist das, meine Liebe?“
„Das ist Aprikose.“ Auch aus der Dose, aber das lasse ich unerwähnt. Merkwürdig - meine Tanten können fantastisch backen, aber das heben sie sich für Familienfeiern auf. Für nicht ungarische, nicht blutsverwandte Menschen sind Dosenfrüchte gut genug. Und tiefgefroren (und noch mal und noch mal tiefgefroren) ist auch in Ordnung, die Leute würden ein gutes barak zserbo nicht mal erkennen, wenn es sie in den Hintern beißt.
Mr. Dombrowski schlurft an der Theke entlang und mustert jedes einzelne süße Teilchen, das wir anbieten. Er kauft zwar nie etwas anderes als Quarktaschen, aber der nette alte Mann hat nicht gerade viel zu tun.
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