Lucy kriegt's gebacken
wie Debbie Keating, meine beste Freundin in der Schule, von ihrem Vater zusammengestaucht wurde, weil sie beim Schulball ein enges Oberteil und blauen Lidschatten trug. Junge, wie sehr ich mir einen Vater wünschte, der mich zusammenstauchte! Der mich beschützte und liebte, wie es nur Väter können. Ich erinnerte mich noch schwach daran, dass mein eigener Dad ein sehr guter Vater gewesen war, und ein guter Vater liebt seine Tochter wie niemanden sonst. Er vergöttert sie, hilft ihr aus der Patsche und verteidigt sie gegen mütterliche Strafpredigten. Er spornt sie an, zu werden, was immer sie sein will (Präsidentin, Astronautin, Prinzessin), und später im Leben sagt er ihr, welcher Junge gut genug für sie ist (keiner) und wann sie zum ersten Mal einen Freund haben darf (nie).
Doch wegen des Fluchs der schwarzen Witwen waren die Männer in meiner Familie immer rar gesät gewesen. Ich hatte keine Onkel, keine Großväter, keine Brüder. Mein nächster männlicher Verwandter war Stevie, und von ihm habe ich ja bereits erzählt. Corinne und ich haben oft versucht, unseren Daddy zu uns zu rufen. Wir hockten im Schrank, wo meine Mutter noch immer seine Kleidung aufbewahrte, drückten unsere Gesichter in einen Mantel oder einen Pulli von ihm und sangen leise: „Daddy, Daddy, sprich mit uns, Daddy.“
Mom dachte nie daran, einen neuen Mann kennenzulernen, aber ich stellte mir oft vor, dass sie wieder heiratete, irgendeinen netten, freundlichen Mann, der Corinne und mich wie seine eigenen Kinder lieben und uns verwöhnen würde, wie sie es nie tat. Einmal habe ich im Sommer in einem hübschen Restaurant in Newport als Bedienung gearbeitet, und Joe Torre - seinerzeit Manager der New York Yankees - kam mit seiner Frau zum Essen. Obwohl Rhode Island zur Red-Sox-Nation gehört und wir von klein auf gelernt haben, alles an New York zu hassen, fand ich Mr. Torre sehr nett. Seine Rechnung belief sich an diesem Abend auf einhundertzwölf Dollar. Er ließ fünfhundert Dollar auf dem Tisch liegen und eine Serviette, auf die er geschrieben hatte: „Der Service war ganz hervorragend. Vielen Dank, Joe Torre.“ Immer wenn ich mir einen Stiefvater vorstellte, kam mir Joe Torres trauriges Bulldoggengesicht in den Sinn.
Man könnte also durchaus behaupten, dass ich nach einem Mann in meinem Leben hungerte, nicht unbedingt auf sexuelle Art und Weise, aber so wie ein Vegetarier sich nach einem Steak verzehrt, wenn der Duft von gegrilltem Fleisch in der Luft liegt. So wie ein Bewohner aus dem Mittleren Westen sich nach dem Meer sehnt, auch wenn er es nur einmal in seinem Leben gesehen hat. Wenn ein Mann in die Bäckerei kam, drängte ich mich vor, damit ich ihn bedienen konnte, egal, wie alt er war, und saugte diese ganze faszinierende Männlichkeit in mich auf - wie er sprach, stand, sich bewegte. Wie sich Lachfältchen um seine Augen bildeten, wenn er mich anlächelte, wie entschieden er das bestellte, was er wollte. Die kräftigen Finger, die Haare auf dem Handrücken, die Bartstoppeln im Gesicht.
Als ich Jimmy kennenlernte, war Ethan mein engster männlicher Freund, aber er war einfach nur witzig. Ein Junge, oder in anderen Worten, kein Mann. Damals nicht.
Jimmy - der war ein Mann. Stark, zuverlässig, groß, drei Jahre älter als ich, er war so selbstsicher und dominant. Er hat sein Leben lang als Koch gearbeitet und wusste genau, was er tat. Rasche, sichere Bewegungen, die Fähigkeit, schnelle Entscheidungen zu treffen - er war einfach sagenhaft.
Ich fuhr nun immer öfter nach Hause, weil Jimmy an den Wochenenden natürlich nicht freimachen konnte. Gianni arbeitete mit seinem Sohn zusammen, schrie den Souschef oder die Beiköche an, und immer wenn er mich sah, gab er mir einen Kuss auf die Wange und nannte mich Jimmys Mädchen. Marie, die die Gäste bediente und der Schrecken aller Mitarbeiter war, platzierte mich immer am Familientisch und drängte mich, mehr zu essen, um „etwas Fleisch auf die Rippen“ zu bekommen. Ständig quetschte sie mich aus, ob ich Kinder wollte (ja), wie viele ich wollte (drei oder vier), und ob ich vorhätte, aus der Gegend wegzuziehen (auf keinen Fall). Dann lächelte sie und rechnete sich offenbar im Stillen aus, wie lange sie noch auf ein Enkelkind warten musste.
Und dann kam Jimmy aus der Küche, plauderte ein wenig mit den Gästen, immer sehr herzlich und freundlich. Dabei hielt er nach mir Ausschau, und wenn er mich gefunden hatte, sah er mich einen Moment zu lange an und ließ mich so
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