Lucy kriegt's gebacken
mich mit Männern zu verabreden.“ Ich schlucke schwer.
„Das ist ein großer Schritt, Liebes“, sagt sie mit einem liebevollen Lächeln.
Meine Augen brennen. „M-hm“, murmle ich.
„Und wie läuft es?“
„Nicht schlecht, nicht gut.“ Ich ziehe die Nase hoch, und Anne reicht mir kommentarlos ein Taschentuch.
„Kannst du gut schlafen?“, fragt sie.
„Seit dem Unfall nicht besonders gut“, gestehe ich. „Ein paar Stunden pro Nacht und ein paar morgens, wenn ich in der Bäckerei fertig bin.“
„Guter Schlaf hat viel mit der psychischen Verfassung zu tun, kleine Gans.“ So hat sie mich früher als Kind genannt. „Wie sieht es mit Sport aus?“
„Ich fahre viel Fahrrad. Über die Insel. Ich bin heute auch hierher gefahren. Und bei meiner letzten Untersuchung meinte der Arzt, dass ich vollkommen gesund bin.“
Sie öffnet nickend eine Schublade, zieht einen Verschreibungsblock heraus und schreibt etwas darauf. „Das ist das Rezept für ein leichtes Beruhigungsmittel. Schau mal, ob es hilft. Du solltest damit auch besser schlafen. Am Anfang solltest du es allerdings zu Hause einnehmen und nicht in der Nähe von heißen Backöfen, okay?“ Sie reißt das Blatt ab und reicht es mir. Dann steht sie auf.
„Bleib am Ball, Liebes“, sagt sie und nimmt mich in die Arme. „Veränderungen sind schwierig, und es ist nur natürlich, ein bisschen panisch zu werden, wenn man nach so langer Zeit wieder Männer kennenlernt. Wie lange ist es jetzt her, fünf Jahre?“
„Fünfeinhalb.“
„Shit.“ Sie seufzt, dann zerzaust sie mir das Haar. „Du bist ganz normal, Lucy.“ Ich lächle, um zu beweisen, wie unternehmenslustig und supertapfer ich bin, und sie lächelt zurück. „Also, die Lesben-Ärztin muss sich jetzt wieder um ihre Patientinnen kümmern. Diese schwangeren Frauen können ganz schön zickig werden, wenn man sie zu lange warten lässt. Ruf mich an, wenn du noch etwas brauchst. Und hey, komm doch demnächst mal zum Essen vorbei. Vielleicht fällt Laura ja ein passender Mann für dich ein.“
„Danke, Anne.“ Die gute alte Anne. Wenn ich sie und Laura so sehe, wünschte ich fast, ebenfalls lesbisch zu sein.
Nachdem ich das Rezept eingelöst habe, halte ich kurz am High Hopes Convalescent Center, um Großtante Boggy zu besuchen. Immerhin habe ich gestern Abend eine ganze Tonne Scones gebacken, und das Pflegepersonal freut sich jedes Mal, wenn ich etwas vorbeibringe. Vielleicht wird Boggy ja auch welche essen. Sie sind lecker und weich - vermutlich braucht man dafür keine Zähne, was gut ist, denn Boggy hat keine mehr.
Natürlich ist Ihnen längst aufgefallen, dass ich nie selbst esse, was ich gebacken habe. Das ist schade, denn so wie es immer duftet, muss es einfach köstlich sein. Wenn ich ab und zu probieren würde, wäre ich vermutlich eine noch bessere Konditorin, denn es könnte nicht schaden, zu wissen, wie was schmeckt.
Doch in der Nacht, in der Jimmy gestorben ist, hatte ich ihm mit der Inbrunst einer frisch verheirateten Frau etwas Wundervolles gebacken. Jimmy und ich hatten seit der Hochzeit nicht einen einzigen Tag getrennt verbracht, und ich vermisste ihn ganz schrecklich. Obwohl ich den ganzen Tag in dem schicken Hotel in Newport geschuftet hatte, beschloss ich beim Nachhausekommen, noch etwas für Jimmy zu backen. Stellte mir vor, wie er spätnachts durch die Tür kommen würde, müde, aber aufgekratzt, voller Geschichten über seinen Tag in New York. Ich würde ihm den leckersten Kuchen aller Zeiten servieren, lächeln und zuhören, bis er entspannt genug war, ins Bett zu gehen, wo ich ihn schließlich so um den Verstand bringen wollte, dass er vor Dankbarkeit, eine so heiße Frau zu haben, schier verging.
Also setzte ich alles daran, ihm zu beweisen, wie sehr ich ihn vermisst hatte. Er sollte wissen, wie sehr ich ihn liebte. Zudem wollte ich ein bisschen angeben, denn auch wenn meine Schwiegermutter fantastische Desserts zubereiten konnte, wollte ich eines Tages die Herrin über die Desserts im Gianni’s werden.
Die nächsten glücklichen Stunden verbrachte ich damit, goldene Pfirsiche ins kochende Wasserbad zu legen, die Schale zu entfernen und sie schließlich in papierdünne Scheiben zu schneiden. Dann briet ich sie kurz an und träufelte süßen Weißwein darüber. Danach röstete ich ein halbes Pfund Pistazien, zerrieb sie zu Staub, mischte etwas karamellisierten Ingwer unter und rührte alles in ungesalzene Butter für den Boden. Statt einer großen Tarte
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