Lucy kriegt's gebacken
vor, wenn so etwas wie Emma die Belohnung sein könnte.
„Das sieht gut aus“, höre ich jemanden sagen.
Ich schaue jäh auf. Ethan steht in der Küchentür. Sein Blick ist sanft, und ich bekomme einen Moment keine Luft mehr. Als Ethan lächelt, werden mir die Knie weich.
„Danke.“ Meine Stimme klingt heiser. Ich räuspere mich und streiche Emmas Decke glatt.
„Daddy! Da bist du ja!“ Nick kommt um die Ecke gefegt und knallt gegen die Beine seines Vaters. Ethan hebt ihn hoch, und sein ganzes Gesicht verzieht sich zu diesem erstaunlichen Grinsen.
„Hallo, Nick, du kleine Zecke!“ Er küsst seinen Sohn vernehmbar auf den Hals.
„Ich bin echt eine Zecke!“, schreit Nicky begeistert und schlingt Arme und Beine um seinen Vater. „Siehst du? Du wirst mich nicht mehr los! Ich bin eine Zecke. Ich trinke dein Blut!“
„Eklig“, verkündet Ethan, und sein Sohn krümmt sich vor Lachen.
„Ich hab dir einen Tintenfisch mitgebracht, Daddy! Den musst du essen! Essen, essen!“
Ethan lächelt. „Tintenfisch also? Gib mal her.“ Er öffnet den Mund, ohne sich um die schmutzig klebrigen Finger seines Sohnes zu kümmern. „Köstlich. Danke, Zeckenjunge.“
„Hab dich lieb, Daddy“, sagt Nicky mit einer Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit, wie es nur Kinder können. Er legt den Kopf an Ethans Schulter, dann, als er mich entdeckt, fragt er: „Ist das dein Baby, Wucy?“
„Aber nein, Liebling. Das ist Emma, Corinnes Baby, weißt du noch?“ Ich lächle. „Meine Nichte.“
„Ich bin dein Neffe“, erklärt er seinen Besitzanspruch.
„Ja, das bist du. Mein weltweit einziger.“ Ich sehe Ethan an. „Wie geht es dir, Ethan?“
„Gut, Lucy. Und dir?“
Ich blicke auf Emma hinab, um die Tatsache zu verbergen, dass es mir genau genommen nicht gut geht. Den ganzen Abend lang habe ich soweit wie möglich verdrängt, aus welchem Grund wir überhaupt hier sind - ich verliere meine Schwiegereltern, die für mich so eine enge Verbindung zu Jimmy darstellen. Meine Augen brennen, schnell streichle ich Emmas kleines Ohr, berühre ihre seidige Wange.
„Kann ich meine Tochter wiederhaben?“ Die Stimme meiner Schwester klingt schneidend. „Ich muss sie stillen. Tut mir leid, Lucy.“ Ohne viel Federlesens nimmt sie mir Emma ab und hinterlässt eine kalte Stelle dort, wo die Kleine sich so süß an mich geschmiegt hatte.
„Hi, Corinne“, sagt Ethan.
„Hi, Corinne“, wiederholt Nicky.
„Oh, hallo, Jungs.“ Corinne lächelt halb. „Tut mir leid, dass ich euch unterbreche. Aber meine Brüste sind so geschwollen, dass sie jeden Moment platzen könnten.“
„Autsch“, murmelt Ethan.
„Platzen?“, fragt Nicky.
„Autsch ist richtig. Du kannst dir diese Schmerzen nicht vorstellen. Einfach furchtbar.“ Ohne ein weiteres Wort stakst Corinne davon, um ihr Baby zu stillen.
Ethan stellt seinen Sohn auf dem Boden ab. „Nicky, könntest du mir noch einen Tintenfisch besorgen?“
„Ja, Daddy! Und dann komme ich zurück und bin wieder deine Zecke, okay?“
„Okay, Schatz.“ Auf seinem Gesicht liegen so viel Zärtlichkeit und Liebe, dass mein Herz schwer wird. Wieder flitzt Nicky davon, und Ethan sieht mich an. Der Kieselstein in meinem Hals kratzt wie ein Klumpen Quarz. „Komm mit.“ Ethan greift nach meiner Hand. Ein elektrischer Schlag jagt durch meinen Arm - ich habe ganz vergessen, wie warm und stark seine Hände sind. Jimmy hatte auch solche Hände. Das ist die einzige Ähnlichkeit zwischen den beiden Brüdern.
Ethan zieht mich in die Küche. Die Feier neigt sich langsam ihrem Ende zu, und die Küche ist wie durch ein Wunder einmal leer, da das Essen am Büfett im Restaurant serviert wird.
Ethan betrachtet mich lange, ohne meine Hand loszulassen. Dann runzelt er die Stirn. „Geht es dir gut, Liebling?“, flüstert er, und seine Zärtlichkeit fährt mir wie ein Dolch in die Brust. Oh Gott, wie ich ihn vermisse.
„Ethan“, flüstere ich mit brüchiger Stimme. Ich drücke seine Hand fest und schlucke mehrfach. In seinen braunen und goldenen Augen sehe ich, dass er auf eine Antwort wartet. „Ethan“, versuche ich es noch einmal, doch mein Hals ist wie zugeschnürt.
Heiße Tränen steigen mir in die Augen, und als ich wegsehe, fällt mein Blick automatisch auf Jimmys Schrein. Der gut aussehende, blauäugige Jimmy Mirabelli, groß und stark. Und tot. Nur noch eine Erinnerung.
Ich lasse Ethans Hand los und wische mir mit den Handballen über die Augen.
„Hier habt ihr euch kennengelernt“,
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