Lucy kriegt's gebacken
über den Tisch, um meine Hand zu drücken, seine blauen Schweinchenaugen sind voller Mitgefühl. Ich drücke zurück.
„Das ist lieb von dir, Corbin. Du hast wirklich gute Manieren.“ Ich nicke, und da geht es schon wieder los, das Gefühl, dass der Kopf sich noch immer bewegt. „Ähm, hör zu, Corbin. Ich habe ein Medikament genommen, bevor ich herkam. Und ich fühle mich irgendwie seltsam.“
„Ach je“, sagt er. „Bist du okay? Kann ich irgendwas tun?“
„Nein. Wenn ich mehr im Magen habe als ein Twinkie, geht es mir bestimmt gleich besser.“
Corbin lächelt entzückt. Und warum auch nicht? Bin ich nicht entzückend?
Wo wir gerade von entzückend sprechen, die Tür geht auf, und Doral-Anne Driscoll kommt herein. Als sie mich erblickt, grinst sie höhnisch. Beinahe hätte ich ihr den Stinkefinger gezeigt. Sie steuert auf einen Tisch zu und, verdammt! Da sitzt Ethan. Er steht auf, küsst sie auf die Wange, und sie setzen sich.
Ethan ist hier . Er hat nicht angerufen. Er wollte nichts über Boggy oder die Lazarus-Scones erfahren. Stattdessen ist er mit dieser schrecklichen, asozialen Doral-Anne hier. Ich meine, soll er meinetwegen machen, aber trotzdem. Findet er keine Bessere als Doral-Anne? Was ist mit Parker?
„Über Geschmack lässt sich nicht streiten“, sage ich laut - huch -, doch offenbar ergibt diese Aussage für Corbin irgendeinen Sinn. Wie auch immer. Netter Kerl. Er redet lächelnd weiter, und ich habe Probleme, zuzuhören.
Roxanne kommt mit unserem Essen angestampft und knallt mit finsterem Blick die Teller auf den Tisch. „Danke dir!“, rufe ich erfreut. Auf einmal habe ich das Gefühl, zu verhungern. Ich beiße ein riesiges Stück von meinem Sandwich ab, was gar nicht so leicht ist, aber nachdem ich es hinuntergewürgt habe, geht es mir gleich besser. Lecker. Ziemlich lecker. Lenny streut immer etwas Curry über das Hühnchen, dazu ein paar rote Trauben. Sehr nette Geste.
„Also, Lucy“, meint Corbin. Mist, ich hatte ihn beinahe vergessen. „Entschuldige, dass ich frage, und du musst auch nicht antworten. Aber wie ist dein Mann gestorben?“
„Bei einem Autounfall“, erkläre ich den Mund voller Pommes frites.
„Oh nein“, murmelt er.
„Er ist hinterm Steuer eingeschlafen. Sechs Meilen von zu Hause entfernt.“ Ich schlucke, dann beiße ich noch einmal in mein Sandwich.
„Oh nein. Du Arme.“ Wieder dieser Händedruck. „Wie alt warst du?“
„Ich war fünfundzwanzig und Jimmy siebenundzwanzig. Wir waren erst kurz verheiratet. Nicht einmal ein Jahr.“
„Wie traurig.“ Diese kleinen blauen Augen scheinen feucht zu werden. Ich bin nicht sicher, ob ich Corbin deswegen mag oder nicht mag.
„Das ist es wirklich.“ Ich nicke. Natürlich. Es ist traurig. Aber irgendetwas stimmt mit mir nicht, es ist, als ob ich nicht richtig denken könnte oder so. Ich betrachte meine Hand. Die Finger kommen mir sehr, sehr lang vor. „Sehen meine Hände irgendwie groß aus, Corbin?“ Ich krümme die Finger. Wirklich komisch sehen sie aus. Wie Flossen. Wie bei diesem Typ bei den Olympischen Spielen mit den ganzen Medaillen - Michael Phelps? Genau, so heißt er. Ich mag seine Füße. Er hat Flossenfüße oder so was, richtig? Und genau so sehen meine Hände aus. Abgefahren. Ich sehe Corbin an, um herauszufinden, ob er ähnlich besorgt ist.
Aber Corbin schaut meine Hände nicht an. Nein, Corbin hat sich eine Hand über die Augen gelegt. Corbin scheint zu weinen.
„Bist du okay?“, frage ich. „Corbin Dallas?“
Er weint tatsächlich. Er legt die Serviette weg. „Tut mir leid“, sagt er mit tränenüberströmtem Gesicht. „Es ist nur … Ach Lucy, mir war nicht klar … Es tut mir so leid.“ Er atmet zitternd ein, versucht zu lächeln, aber es gelingt ihm nicht. Lenny wirft uns einen komischen Blick zu, und einige Gäste verdrehen schon die Köpfe nach uns. „Tut mir leid. Ich wollte das nicht … Aber weißt du, mein Hund - ich habe einen Hund. Biffy. Und er wurde vor Kurzem … Nun, er muss operiert werden. Eine Zyste über dem Auge. Ich mache mir echt Sorgen, und als du gesagt hast, dass dein Mann hinterm Steuer eingeschlafen ist, ist das alles wieder hochgekommen … Du weißt ja, wenn man jemanden liebt, dann … Biffy ist so …“
Er spricht immer weiter. Aber ganz bestimmt vergleicht er doch nicht gerade die Zyste seines Hundes mit dem Tod meines Mannes? Doch, das tut er. Wow. Ich würde ja irgendwie reagieren, aber meine Finger scheinen noch immer zu wachsen.
Weitere Kostenlose Bücher