Lucy kriegt's gebacken
eigentlich noch dein Motorrad?“, frage ich, nur um gesprächig und freundlich zu sein.
„Ja.“ Als er dann erkennt, dass er nicht besonders nett zu der armen Patientin ist, sieht er mich an. „Wie geht es dir?“
„Ähm, nicht schlecht. Nur müde.“
„Okay, dann bringen wir dich mal schleunigst ins Bett.“
Wir fahren durch die stillen dunklen Straßen unserer kleinen Stadt, und ich bin nur froh, dass Anne Ethan dieses Krankenhaus empfohlen hat und nicht eines, das weiter entfernt liegt. Wir brauchen nur ein paar Minuten zum Boatworks. Ethan parkt auf seinem Platz, steigt aus und gleitet dann in Starsky-und-Hutch-Manier über die Motorhaube, um mir die Tür zu öffnen. Die Andeutung eines Grinsens liegt auf seinem Gesicht, und wieder einmal zieht sich mein Hals, wund von dem nächtlichen Abenteuer, zusammen. Dieses Grinsen habe ich so vermisst.
Er geht einen Schritt hinter mir, wahrscheinlich, um mich auffangen zu können, falls ich taumle.
Im Fahrstuhl sprechen wir nicht, aber er fängt meinen Blick auf und schenkt mir ein schnelles Lächeln, das seine Augen nicht erreicht.
Ethans Gesicht ist ziemlich perfekt und unauffällig. Gerade Nase, normal große Augen. Sein Mund ist schön geformt, seine Wangenknochen sind symmetrisch. Nichts Besonderes - nicht bis er lächelt und seine Lippen sich zu diesem ungewöhnlichen, unerwartet charmanten Grinsen verziehen. Nie zuvor habe ich ein Gesicht gesehen, das sich durch ein Lächeln dermaßen verändert. Oder das ohne dieses Lächeln so ausdruckslos ist.
Nach einer kleinen Ewigkeit erreichen wir den vierten Stock - Ethan hat meinen Schlüssel, seit ich eingezogen bin. Ash streckt ihren Kopf heraus.
„Hey! Geht’s dir gut?“ Sie sieht ohne ihr schwarzes Make-up schockierend jung aus. „Ich bin extra wach geblieben.“
„Mir geht es gut, Schatz. Eine allergische Reaktion. Musste mich ziemlich oft übergeben.“
„Hi, Ash.“ Ethan lächelt sie an. Sie wird rot.
„Wir sehen uns morgen“, sage ich.
„Okay. Gute Besserung. Nacht, Ethan.“
„Gute Nacht, Kleine.“ Er schließt meine Tür auf und macht einen Schritt zur Seite, als Fat Mikey uns begrüßt.
„Hast du Hunger?“ Ethan geht in die Küche und öffnet den Kühlschrank.
„Nein.“ Fat Mikey, der sich an meinen Waden reibt, stößt ein rostiges Schnurren aus. Ich beuge mich vor, um ihn hochzuheben, und drücke meine Wange an seinen Kopf. Er stupst mich freundlich an, dann gräbt er mir die Krallen in die Schulter. Und wie immer bin ich dankbar für seine griesgrämige Liebesbekundung.
Ethan geht in mein Schlafzimmer - ich habe heute mein Bett nicht gemacht, weil ich mir das normalerweise bis nach meinem Schläfchen am Morgen aufhebe, aber heute - vor einer Ewigkeit - ist Tante Boggy auf diese wundersame Weise erwacht. Mein Kopf dröhnt vor Erschöpfung, ich schließe die Augen und könnte auf der Stelle einschlafen.
„Möchtest du erst noch ins Bad, Lucy?“
Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich, dass er mit verschränkten Armen vor mir steht. Der Stoff seines Hemds spannt sich um seine muskulösen Oberarme. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er die Nase voll von mir hat. Kann ich ihm nicht verdenken.
„Gute Idee.“ Ich setze meine Katze ab.
Der Badezimmerspiegel bestätigt, dass ich in etwa so aussehe, wie man es von einer Frau erwarten kann, die die halbe Nacht halluziniert und erbrochen hat - also nicht gerade top. Mein Gesicht ist fahl, mein Haar auf einer Seite platt gedrückt und die Wimperntusche verschmiert. Abgehalfterter Popstar nach Sauftour. Seufzend drehe ich die Dusche auf, schlüpfe aus den Klamotten und stelle mich unters Wasser.
Hinterher rieche ich um einiges besser, aber ich bin so müde, dass ich kaum noch aufrecht stehen kann. Ich ziehe den Pyjama an, der an der Tür hängt, und putze mir die Zähne.
Kaum habe ich die Tür geöffnet, als Ethan schon von der Couch aufspringt, wo Fat Mikey ihn festgenagelt hatte, und auf mich zukommt. „Ich habe deine Bettwäsche gewechselt und ein Glas Wasser auf deinen Nachttisch gestellt. Ich werde dich ein paarmal aufwecken müssen, um zu sehen, ob es dir gut geht. Okay?“
„Okay.“ Er wird natürlich auf dem Sofa schlafen. Oder im Gästezimmer. Es würde mir ehrlich gesagt nichts ausmachen, wenn er mit ins Bett käme und mich in seine warmen beruhigenden Arme nehmen würde, aber ich bin nicht so neben der Kappe, ihn darum zu bitten.
Er beobachtet mich dabei, wie ich ins Bett steige. Kein Lächeln,
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