Lucy kriegt's gebacken
haushoch geschlagen hätte, aber Menschen gehen schließlich vor. Das sollten sie zumindest. Ich tippe das Wort doch noch diskret ein, dann klappe ich den Laptop zu. Jetzt bist du dran, Maven .
„Wunderbar.“ Ethan, der in den letzten fünf Jahren viele Stunden in meiner Wohnung verbracht hat, öffnet wie selbstverständlich meinen Kühlschrank. „Kann ich eins davon haben?“
„Sicher. Die habe ich sowieso für dich gemacht.“ Im Kühlschrank befinden sich sechs kleine Förmchen mit Ananas-Mango-Mousse und Himbeerglasur.
„Möchtest du auch eins?“ Ich kann hören, dass er bereits den Mund voll hat.
„Nein, danke. Die gehören alle dir.“ Ich esse meine eigenen Desserts nicht. Schon seit Jahren nicht mehr.
„Schmeckt fantastisch“, sagt er, als er ins Wohnzimmer kommt.
„Freut mich.“ Ich weiche seinem Blick aus.
„Hey, danke, dass du die Fotos von Nick gemailt hast.“ Er kratzt die Reste aus dem Förmchen.
„Gern geschehen. Er sieht wirklich süß aus.“ Am Mittwoch wurde in Nickys Kindergarten ein Stück über den Lebenszyklus des Schmetterlings aufgeführt. Nicky spielte den Samen einer Seidenpflanze. Da Parker, Nickys Mutter, immer die Kamera vergisst, habe ich mir angewöhnt, Nicky zu fotografieren und die Fotos dann an Ethan zu schicken. „Ähm, hör mal, Ethan, wir müssen uns unterhalten.“ Ich krümme mich innerlich.
„Klar. Ich hol mir nur noch schnell eins von denen. Schmeckt einfach unglaublich.“ Er geht zurück in die Küche, und ich höre, wie der Kühlschrank erneut geöffnet wird. „Übrigens muss ich dir auch was erzählen.“ Er kommt zurück ins Wohnzimmer. „Aber Ladys first.“ Er wirft sich in den Sessel und lächelt mich an.
Ethan sieht ganz anders aus als sein Bruder, was einerseits schade, andererseits aber auch tröstlich ist. Im Gegensatz zu Jimmy ist Ethan etwas … nun, durchschnittlich. Er sieht zwar gut aus, aber irgendwie nicht weiter bemerkenswert. Mittelbraune Augen, normales Gewicht. Eher der Vanille-Typ. Er hat einen sauber gestutzten kleinen Bart, wie ihn viele Baseballspieler tragen - also eher einen Dreitagebart, was ihn etwas verwegen wirken lässt, aber er ist … nun, er ist Ethan. In gewisser Weise sieht er wie ein Elf aus - also nicht wie die quietschenden Nordpolelfen, aber wie ein cooler Elf, ein Tolkien-Elf, leicht grimmige Augenbrauen und ein durchtriebenes Grinsen.
Er betrachtet mich geduldig, und ich schlucke. Schlucke erneut. Das ist eine nervöse Macke von mir. Fat Mikey springt auf Ethans Schoß und stößt ihn mit dem Kopf an, bis Ethan dem herrischen Kater gehorcht und ihn unterm Kinn krault. Ethan hat ihn vor ein paar Jahren aus einem Teich gerettet, und da er meinte, niemand würde dieses hässliche Vieh aufnehmen, hat er ihn mir überlassen. Fat Mikey hat seinen Retter nie vergessen und schenkt ihm jetzt ein verrostet klingendes Schnurren.
Ich räuspere mich. „Also hör mal. Seit Jimmys Tod warst du einfach … nun, einfach unglaublich. Ein wirklich guter Freund, Ethan.“ Das stimmt, aber ich finde nicht die richtigen Worte, um meiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen.
Es zuckt um seinen rechten Mundwinkel. „Tja. Du warst auch toll.“
Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Genau. Jedenfalls … Also, es ist so, Ethan. Wie du ja weißt, hat Corinne ein Kind bekommen. Und da ist mir aufgefallen, dass … also …“ Ich räuspere mich. „Nun, ich hätte auch gern ein Kind.“ Ah, das kam irgendwie anders heraus als beabsichtigt.
Er sieht mich fragend an. „Wirklich.“
„Ja. Ich wollte immer Kinder haben, weißt du. Deswegen, ähm …“ Warum bin ich so nervös? Es ist doch nur Ethan, er wird mich verstehen. „Also, ich denke, ich bin jetzt so weit, einen … Mann kennenzulernen. Ich möchte wieder heiraten. Eine Familie gründen.“
Ethan lehnt sich nach vorn, woraufhin Fat Mikey von seinem Schoß springt. „Verstehe“, sagt er.
Ich schaue einen Moment lang auf den Boden. „Genau.“ Dann riskiere ich einen Seitenblick und füge hinzu: „Also sollten wir besser aufhören, miteinander zu schlafen.“
2. KAPITEL
Ethan blinzelt, doch sein Gesichtsausdruck verändert sich nicht. „Okay“, sagt er nach einer kurzen Pause.
Ich habe schon den Mund geöffnet, um eine Diskussion abzuwiegeln, da wird mir klar, dass er gar nicht diskutieren will. „Okay. Toll“, nuschle ich.
Ethan lehnt sich zurück und schaut zur Küche. „Deine neue Nichte zu sehen hat dich also schwer beeindruckt, hm?“
„Ja. Ich
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