Lucy Sullivan wird heiraten
den Besuch bei ihr meinte.
Zu meiner Überraschung schlug sie nicht zurück, sondern sah mich einen Augenblick lang beinahe... nun... zärtlich an.
»Ich hab dein Lieblingsessen gemacht«, sagte sie.
»Tatsächlich?«
Ich wußte nicht einmal, daß ich ein Lieblingsessen hatte. Ich war gespannt, was für einen Mist sie auftischen würde.
Aber einfach, um sie zu ärgern, sagte ich: »Großartig, Mum. Ich wußte gar nicht, daß du die Kroatenküche kennst.«
Mum sah Daniel ein wenig verwirrt an und fragte ihn: »Was meint sie mit Krawattenküche? Weißt du, Lucy, du warst schon immer ein bißchen komisch, aber wenn es dir Freude macht, hol ich dir gern ein paar alte Schlipse von deinem Vater runter.« Bitter fügte sie hinzu: »Er braucht sie sowieso nicht, denn seit seinem Hochzeitstag hat er keinen umgebunden.«
»Red doch kein’ Scheiß«, kam eine unartikulierte Stimme aus der Ecke. »Wie war das denn bei Mattie Burkes Beerdigung?«
Mein Vater hatte die Augen geöffnet und sah sich verwirrt im Zimmer um.
»Dad!« sagte ich entzückt. »Du bist ja wach.«
»Ja, die Toten standen auf und erschienen vielen«, rief Mum sarkastisch, während Dad auf die Beine zu kommen versuchte.
»Stimmt nicht«, sagte Dad. »Das war nicht Mattie Burke, sondern Laurence Molloy. Hab ich dir das schon mal erzählt, Lucy? Das war toll, als Laurence Molloy so tat, als ob er tot wäre, damit wir eine richtige Totenwache mit allem Drum und Dran halten konnten. Als er dann merkte, daß er die ganze Zeit auf einem harten Brett liegen mußte und nichts zu trinken kriegte, während ihn unser Whiskey-Atem in der Nase kitzelte, paßte ihm das gar nicht. Also ist er aus dem Sarg gesprungen, hat jemand ’ne Flasche aus der Hand gerissen und gesagt ›Her damit‹...«
»Schluß, Jamsie«, brüllte meine Mutter. »Wir haben Besuch, und der will bestimmt keine Geschichten aus deiner sinnlos vertanen Jugend hören.«
»Davon rede ich ja gar nicht«, brummelte Dad. »Die Totenwache von Laurence Molloy ist erst ein paar Jahre her... Hallo, mein Junge«, sagte er, als sein Blick auf Daniel fiel. »Dich kenn ich noch. Du bist doch immer zum Spielen mit Christopher Patrick gekommen. Warst damals hoch aufgeschossen. Stell dich mal hin, damit ich seh, ob du kleiner geworden bist!« Unbeholfen erhob sich Daniel unter vielem Stühlerücken.
»Eher noch größer!« fand Dad. »Obwohl ich das nicht für möglich gehalten hätte.« Dankbar nahm Daniel wieder Platz.
»Lucy, mein Schätzchen«, sagte Dad und wendete seine Aufmerksamkeit mir zu. »Ich wußte ja gar nicht, daß du kommen wolltest.«
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?« fragte er meine Mutter.
»Hab ich doch.«
»Hast du nicht.«
»Doch, hab ich.«
»Bestimmt nicht.«
»Hab ich do... Ach, was soll’s. Ebensogut könnte ich an die Wand reden.«
»Lucy«, sagte Dad. »Ich steh auf, mach mich ein bißchen fein und bin in Null Komma nichts wieder da.«
Er schlurfte aus dem Zimmer, und ich lächelte ihm zärtlich nach.
»Er sieht gut aus«, sagte ich.
»Findest du?« fragte Mum kalt. Ein unbehagliches Schweigen folgte.
»Noch Tee?« fragte sie Daniel und hielt sich an die berühmte irische Überlieferung, Gesprächspausen damit zu füllen, daß man Leuten etwas zu essen oder zu trinken aufnötigt.
»Danke.«
»Noch ’nen Keks?«
»Nein, danke.«
»’n kleines Stück Kuchen?«
»Nein, lieber nicht. Sonst bleibt kein Platz für das Abendessen.«
»Nur zu. Sie wachsen doch noch.«
»Wirklich nicht.«
»Bestimmt nicht?«
»Mum, laß ihn doch!« sagte ich lachend, weil mir einfiel, was Gus über irische Mütter gesagt hatte. »Was hast du denn zum Abendessen gemacht?«
»Fischstäbchen, Bohnen und Pommes.«
»Äh, schön.«
Es stimmt schon, vor einem halben Leben war das mein Lieblingsessen gewesen, bis ich nach London zog und so exotische Speisen kennenlernte wie Tandoori-Nudeln oder Kartoffelchips mit Pekingente-Geschmack.
»Wunderbar«, grinste Daniel. »Das ess ich für mein Leben gern.« Es klang, als ob er es ernst meinte.
»Das würdest du doch immer sagen, egal was man dir hinstellen würde, Dan«, warf ich ihm vor. »Sogar wenn Mum sagte, ›Daniel, ich hatte vor, heute Ihre Hoden in Weißweinsoße auf den Tisch zu bringen‹, würdest du sagen, ›Hm, wunderbar, Mrs. Sullivan, klingt köstlich‹. Das stimmt doch?« Beim Anblick seines entsetzten Gesichts kicherte ich in mich hinein.
»Lucy«, sagte er gequält. »Du solltest wirklich ein bißchen
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