Lucy Sullivan wird heiraten
aufpassen, was du sagst.«
»Entschuldige«, lachte ich. »Ich hab gar nicht dran gedacht, daß ich deinen wertvollsten Besitz im Munde geführt hab. Was wäre schließlich Daniel Watson ohne seine Genitalien? Dein Leben wäre am Ende, was?«
»Nein, Lucy, darum geht es nicht. Das würde jeden Mann abstoßen, nicht nur mich.«
Meine Mutter hatte schließlich ihre Stimme wiedergefunden.
»Lucy – Carmel – Sullivan«, keuchte sie, allem Anschein nach einem Schlaganfall nahe. »Wovon um Himmels willen redest du da?«
»Nichts Besonderes, Mrs. Sullivan«, sagte Daniel rasch. »Wirklich nichts.«
»So?« sagte ich. »Das würde Karen aber anders sehen.« Während ich ihm zuzwinkerte, verwickelte er Mum ziemlich hastig in ein Gespräch: wie es ihr gehe, ob sie arbeite, wie es ihr in der Reinigung gefalle.
Mum sah einmal mich an und einmal Daniel. Sie schwankte zwischen dem Entzücken, das es ihr bereitete, im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit zu stehen, und dem Verdacht, daß sie mich mit etwas ganz und gar Verabscheuungswürdigem und Unverzeihlichem davonkommen ließ.
Aber ihre Eitelkeit erwies sich als stärker. Schon bald unterhielt sie Daniel mit Geschichten von den verwöhnten reichen Säcken, die sie in der Reinigung bedienen mußte. Sie wollten alles schon gestern erledigt haben, sagten nie danke, parkten ihre Autos, »große Schlitten, die BMX oder BLT oder wie auch immer heißen«, so, daß sie anderen den Weg versperrten und waren unvorstellbar mäkelig. »Gerade war einer von denen da – ein richtiger junger Schnösel – und hat mir sein Hemd ins Gesicht geschmissen, jawohl, geschmissen! und gefragt, ›Was zum Teufel haben Sie damit gemacht?‹. Sehen Sie, Daniel, erstens gab es keinen Grund zu fluchen, das hab ich ihm auch gesagt, und zweitens hab ich mir das Hemd angesehen – da war nicht der kleinste Fleck drauf...«, und so ging es endlos weiter.
Daniel hörte mit der Geduld eines Heiligen zu. Ich war so froh, daß er mitgekommen war. Allein hätte ich das auf keinen Fall ausgehalten.
»... und ich hab gesagt, ›Es ist blütenweiß‹, und er hat gesagt: ›Und als ich es gebracht hab, war es hellblau‹...«
Meine Mutter redete und redete. Mitfühlend nickte und lächelte Daniel, unermüdlich. Es war herrlich. Meine Anwesenheit war so gut wie nicht erforderlich, Mum erwartete von mir nur gelegentlich, daß ich nickte oder »hm« sagte, ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf Daniel.
Schließlich näherte sich das Epos aus der Reinigung seinem Ende.
»... dann sagt der doch zu mir, ›Wir sehen uns vor Gericht wieder‹ und ich sag ihm, ›Von mir aus gern‹, und er sagt, ›Sie hören von meinem Anwalt‹ und ich sag, ›Hoffentlich kann er gut und laut brüllen, denn auf einem Ohr bin ich fast taub‹...«
»Und wie geht es Ihnen, Daniel?« fragte Mum schließlich.
»Gut, Mrs. Sullivan, danke.«
»Besser als gut, gib’s nur zu. Erzähl Mum doch von deiner neuen Freundin.«
Ich war begeistert. Ich wußte, daß sie das aufregen würde. Sie hoffte nach wie vor, daß ich Daniel irgendwie rumkriegen würde.
»Hör doch auf«, knurrte Daniel und machte ein betretenes Gesicht.
»Nur nicht schüchtern, Daniel.« In vollen Zügen genoß ich es, auf seinen Nerven herumzutrampeln.
»Jemand, den wir kennen?« fragte Mum hoffnungsvoll.
»Ja«, sagte ich freudestrahlend.
»Ach?« Sie versuchte, ihre Aufregung zu verbergen, was ihr nur unvollkommen gelang.
»Meine Mitbewohnerin Karen.«
»Karen?«
»Ja.«
»Die Schottin?«
»Ja. Die beiden sind richtig ineinander verknallt. Ist das nicht wunderbar?« Als Mum darauf nicht reagierte, fragte ich erneut: »Na, ist das nicht wunderbar?«
»Ich hab sie ja schon immer für ein bißchen schamlos gehalten ...«, sagte Mum und hielt sich dann in gespieltem Entsetzen die Hand vor den Mund. »Ach, Daniel, was hab ich da gerade nur gesagt? Entschuldigung. Beim heiligen Herzen Jesu, wie konnte ich nur so taktlos sein? Könnten Sie bitte vergessen, daß ich das gesagt hab – es ist lange her, daß ich sie gesehen hab. Bestimmt sieht sie jetzt nicht mehr halb so ordinär aus.«
»Schon vergessen«, sagte Daniel mit dem Anflug eines Lächelns. Er war wirklich unglaublich nett zu ihr. Er hätte der Alten einfach eine runterhauen sollen; kein Schwurgericht im ganzen Land hätte ihn schuldig gesprochen.
»Bei allem Schlechten, was man über Lucy sagen kann«, sagte meine Mutter und tat so, als spräche sie beiläufig mit sich selbst,
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