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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Ich war so glücklich, daß ich nicht stillsitzen konnte. Ich freute mich darauf zu hören, was für eine komplizierte und abwegige Ausflucht er sich zurechtgelegt hatte. Bestimmt war sie zum Brüllen komisch.
    Zwar hörte man Stimmen in der Diele, trotzdem verging eine ganze Weile, ohne daß Gus erschienen wäre.
    »Was hält ihn auf?« zischte ich und rutschte unruhig auf der Sofakante hin und her.
    Mit den Worten »Ganz ruhig« tätschelte mir Daniel das Knie. Er hörte schlagartig auf, als Karen betont erst auf seine Hand, dann auf ihn, und dann wieder auf seine Hand sah. Der ganz eigenartige Ausdruck, den ihr Gesicht dabei annahm, schien ihrer Kontrolle zu entgleiten. Vermutlich hatte sie versucht, fragend die Stirn zu runzeln, was ihr aber wegen ihrer Trunkenheit nicht richtig gelungen war.
    Aber auch jetzt tauchte Gus nicht auf. Irgend etwas stimmte nicht. Vielleicht konnte er nicht in die Wohnung, weil er verletzt war? Nach einigen Minuten hielt ich es nicht mehr aus, gab meine ohnehin nur vorgespiegelte Teilnahmslosigkeit auf und ging hinaus, um nachzusehen, wo Gus blieb.
    Weit und breit kein Gus. Neil aus der Wohnung unter uns stand an der Tür. Er trug einen außerordentlich kurzen Morgenmantel, war äußerst schlecht gelaunt und beschwerte sich über die Musik.
    Ich war sicher gewesen, daß sich Gus irgendwo im Hause aufhielt, und es kostete mich große Mühe, mich damit abzufinden, daß das nicht der Fall war. Mit vom Alkohol getrübten Blick spähte ich an Neil vorbei und überlegte, woran es lag, daß ich Gus nicht hinter ihm sehen konnte.
    Als ich schließlich begriff, daß er nicht gekommen war, konnte ich es kaum fassen.
    So groß war meine Enttäuschung, daß der Boden buchstäblich unter meinen Füßen schwankte. Allerdings konnte das auch an dem vielen Wein liegen, den ich getrunken hatte.
    »... von mir aus braucht ihr die Musik gar nicht leiser zu stellen«, sagte Neil. »Aber nehmt doch um Gottes willen was anderes. Wenn ihr auch nur eine Spur von Mitgefühl habt, legt ihr eine andere Kassette ein.«
    »Aber mir gefällt Simply Red«, sagte Charlotte.
    »Das ist mir klar«, sagte Neil. »Warum würdest du sie sonst acht Wochen lang ununterbrochen spielen? Bitte, Charlotte.«
    »Von mir aus«, stimmte sie widerwillig zu.
    »Würde es euch was ausmachen, das hier zu spielen?« fragte er und gab ihr eine Kassette.
    »So weit kommt’s noch!« schnaubte Charlotte. »Das ist ja wohl das letzte. In unserer Wohnung spielen wir unsere Musik.«
    »Aber ich muß sie mir auch anhören...« jammerte Neil.
    Ich schlich ins Wohnzimmer zurück.
    »Wo ist Gus?« wollte Daniel wissen.
    »Keine Ahnung«, murmelte ich.
    Ich betrank mich ziemlich hemmungslos, und irgendwann spät in der Nacht, wohl gegen halb zwei, beschloß ich, Gus zu suchen. Vielleicht konnte mir der Mann in seiner früheren Wohnung seine neue Nummer geben.
    Ich schlich mich in die Diele und ans Telefon. Falls Karen und Charlotte hinter meine Absicht gekommen wären, hätten sie mich davon abzuhalten versucht. Zum Glück waren sie vollständig betrunken. Sie hatten aufgehört, Trivial Pursuit mit Auszieh-Pfändern zu spielen, weil Charlotte darauf bestanden hatte, spanische Musik aufzulegen. Dann führte sie die Schritte vor, die sie in ihrem ›Flamingo‹-Tanzkurs gelernt hatte und verlangte, daß alle mitmachten.
    Ich wußte, daß ich das alles nur aus Verzweiflung tat, aber der Alkohol hatte mich enthemmt; ich hatte keinen eigenen Willen mehr. Ich wußte nicht, was ich sagen würde, falls ich Gus an den Apparat bekäme. Wie konnte ich ihm erklären, woher ich seine neue Nummer hatte, ohne wie eine Besessene zu erscheinen? Es war mir gleich.
    Ich hatte unbestritten einen Anspruch darauf, zu wissen, wo er war und mit ihm zu sprechen, machte ich mir klar. Ich verdiente eine Erklärung.
    Aber ich würde ihm keine Szene machen, beschloß ich, sondern ihn nur ganz freundlich fragen, warum er nicht gekommen war.
    Irgendwo in mir gab es noch eine kleine nüchterne Stelle, die sich meldete und mir empfahl, ihn nicht anzurufen. Sie erklärte, ich führte mich auf wie eine Verrückte und verstärkte meine Demütigung noch dadurch, daß ich ihn aufzuspüren versuchte. Aber ich hörte nicht auf sie. Ich handelte unter Zwang und konnte mich nicht bremsen.
    Aber niemand nahm ab. Ich saß auf dem Fußboden und ließ es klingeln, bis mir eine Bandaufnahme der Telefongesellschaft mitteilte, daß sich unter der von mir gewählten Nummer niemand melde. Vielen

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