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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Dank, das hätte ich nie im Leben gemerkt! Verzweifelt knallte ich den Hörer auf die Gabel. Ich merkte kaum etwas von dem unruhigen Treiben im Wohnzimmer.
    »Geht keiner ran?« fragte jemand. Ich fuhr zusammen. Verdammt! Es war Daniel, der wohl in der Küche noch Wein holen wollte.
    »Nein«, sagte ich wütend, weil ich ertappt worden war.
    »Wen wolltest du anrufen?« fragte Daniel.
    »Was meinst du wohl?«
    »Arme Lucy.«
    Ich fühlte mich entsetzlich. Es war nicht mehr so wie früher, wenn Daniel über mich gelacht und sich über mein Mißgeschick lustig gemacht hatte. Die Dinge hatten sich geändert, und ich hatte nicht mehr den Eindruck, daß er noch mein Freund war. Ich mußte meine Gefühle vor ihm verbergen.
    »Arme Lucy«, wiederholte er.
    »Hör doch auf«, sagte ich wütend und sah zu ihm hoch.
    Irgendwie hatten wir eine Grenze überschritten. Wo wir früher munter miteinander geplänkelt hatten, erhob sich jetzt die häßliche Wirklichkeit.
    »Was stimmt nicht?« Er setzte sich zu mir auf den Boden.
    »Hör bloß auf«, fauchte ich ihn an. »Das weißt du ganz genau.«
    »Nein«, sagte er. »Ich meine, was ist mit uns los?«
    »Es gibt kein ›uns‹«, sagte ich, teils, um ihn zu verletzen, teils, um der Auseinandersetzung und den offenen Worten auszuweichen, auf die das Ganze hinauslief.
    »Doch.« Er legte mir sanft die Hand auf den Nacken und begann, mich mit kleinen kreisenden Daumenbewegungen unter dem Ohr zu liebkosen.
    »Doch«, wiederholte er. Die Berührung seines Daumens ließ mir sonderbare Schauer über den Nacken bis hinunter in die Brust laufen. Mit einem Mal fiel mir das Atmen schwer. Dann merkte ich, wie meine Brustwarzen hart wurden. Es war unglaublich.
    »Was zum Teufel treibst du da eigentlich?« flüsterte ich und sah in sein wohlvertrautes, gutaussehendes Gesicht. Aber ich entzog mich ihm nicht. Ich war betrunken, man hatte mich zurückgestoßen und jemand war freundlich zu mir.
    »Keine Ahnung«, sagte er. Es klang erschreckt. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Gott im Himmel, dachte ich entsetzt, als sich Daniels Gesicht dem meinen näherte. Er will mich küssen. Daniel will mich küssen, dabei sitzt seine Freundin nur zwei Meter weiter, und ich bin so blau oder mitgenommen oder was auch immer, daß ich mich nicht wehre.
    »Wo Dan bloß bleibt?« hörte ich Karens Stimme, während sie in die Diele kam.
    In letzter Sekunde vor dem KO gerettet!
    »Was treibt ihr beiden denn da unten?« kreischte sie.
    »Nichts«, sagte Daniel und stand auf.
    »Nichts«, keuchte ich und stand ebenfalls auf.
    »Du solltest doch die Schüssel mit Wasser für Charlottes Knöchel holen«, sagte Karen wütend.
    »Wieso, was ist passiert?« fragte ich, froh über die Ablenkung, jede Ablenkung, während sich Daniel auf den Weg zur Küche machte.
    »Sie ist bei ihrem Flamingo-Tanz gestolpert«, sagte Karen kalt, »und hat sich den Knöchel verstaucht. Aber es sieht ganz so aus, als würde Daniel lieber auf dem Fußboden mit dir plaudern, als der armen Charlotte zu helfen.«
    Ich ging wieder ins Wohnzimmer. Charlotte lag auf dem Sofa ausgestreckt, sagte kichernd »Aua«, während ihr Simon den Fuß massierte und ihr unter das Kleid sah.
    Die Flaschen waren bis auf die Neige geleert, aber ich trank die Reste aus einer nach der anderen, bis kein Tropfen mehr darin war. Ausgerechnet jetzt, wo ich dringend etwas zu trinken brauchte, war nichts mehr da!
    Es kam zu einem Streit, weil sich Charlotte nicht davon abbringen ließ, daß ihr Knöchel gebrochen war und sie ins Krankenhaus müsse, während Simon darauf beharrte, daß er lediglich verstaucht sei. Dann sagte Karen, Charlotte solle aufhören zu jammern, Simon legte sich ins Zeug und forderte Karen auf, die Klappe zu halten und seine Freundin nicht anzufauchen, und falls Charlotte ins Krankenhaus wolle, werde Karen sie nicht daran hindern. Karen fragte Simon, ob er wisse, wer das Abendessen zubereitet hatte, und Simon erwiderte, er habe alles über Karen gehört und über die Zwangsarbeit, die sie Charlotte verordnet hatte, und wenn jemand für das Essen an jenem Abend Dank gebührte, dann Charlotte... und so weiter und so weiter.
    Ich ließ eine halbe Flasche Rotwein in mich hineinlaufen, die ich hinter dem Sofa entdeckt hatte und setzte mich mit baumelnden Beinen gemütlich hin, um den Streit so richtig zu genießen.
    Dann brüllte Karen Charlotte an, weil sie Simon gesagt hatte, sie habe alles selbst gekocht, denn in Wirklichkeit habe Charlotte

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