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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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andere als sicher, daß er unterwegs war. Bei Gus mußte man mit allem rechnen: er konnte die Einladung vergessen oder sich verspätet haben, es war aber ebensogut möglich, daß er unter einen Bus gekommen war. Doch wollte ich mir auf keinen Fall anmerken lassen, wie große Sorgen ich mir machte.
    Die Situation war mir sehr unangenehm. Ich schämte mich. Die Freunde meiner beiden Mitbewohnerinnen waren pünktlich gekommen. Mit Champagner. Mein Freund hatte sich bereits eine halbe Stunde verspätet und würde, wenn er endlich käme, nicht einmal eine Flasche Pikkolo mitbringen, ja, nicht einmal eine Flasche Leitungswasser.
    Immer vorausgesetzt, er kommt, sagte eine leise Stimme in meinem Kopf. Panik stieg in mir auf. Und wenn er nun nicht käme? Wenn er weder käme noch anriefe und ich nie wieder von ihm hörte? Was würde ich dann tun?
    Ich versuchte mich zu beruhigen. Natürlich würde er kommen. Wahrscheinlich stand er eben jetzt draußen vor der Tür. Er mochte mich wirklich, und ihm lag erkennbar an mir. Also würde er mich auch nicht im Stich lassen.
    Ich wollte ihn nicht anrufen. Das hatte ich noch nie getan. Zwar hatte er mir auf meine Bitte hin seine Nummer gegeben, aber ich hatte den Eindruck gehabt, als sei er nicht besonders darauf erpicht, daß man ihn anrief. Er sagte, er hasse Telefone und halte sie für ein notwendiges Übel. Bisher war es nicht nötig gewesen, ihn anzurufen, weil er immer angerufen hatte, und wie ich jetzt so darüber nachdachte, fiel mir auf, daß es immer kurze Anrufe von einer Telefonzelle oder von einem anderen lauten Ort gewesen waren – wenn er nicht gleich in die Wohnung gekommen war oder mich vom Büro abgeholt hatte.
    Auf keinen Fall brachten wir wie Charlotte und Simon Stunden Süßholz raspelnd und albern kichernd am Telefon zu.
    Ich suchte seine Nummer heraus und wählte sie. Am anderen Ende klingelte es ewig lange, ohne daß jemand abgenommen hätte.
    »Niemand da«, sagte ich erleichtert. »Er muß also unterwegs sein.«
    Im selben Augenblick meldete sich eine Männerstimme.
    »Äh, hallo«, sagte ich. »Kann ich Gus sprechen?«
    »Wen?«
    »Gus, Gus Lavan.«
    »Ach so. Der ist nicht da.«
    Ich legte die Hand auf die Sprechmuschel und sagte mit einem Lächeln zu Karen: »Er ist unterwegs.«
    »Wann ist er gegangen?« wollte sie wissen.
    »Wann ist er gegangen?« plapperte ich ihr nach
    »Mal seh’n, na ja, so etwa vor zwei Wochen.«
    »Waaas?«
    Offenbar konnte man mir das Entsetzen vom Gesicht ablesen, denn Karen schnaubte: »Ich kann es nicht glauben! Ich möchte wetten, daß der kleine Scheißer erst vor fünf Minuten losgegangen ist. Pech für ihn, dann fangen wir eben ohne ihn an...«
    Ihre Stimme wurde immer leiser, während sie durch die Diele zur Küche marschierte, wo sie zweifellos Charlotte dazu verdonnern wollte, die Vorspeisen aufzutragen.
    »Vor zwei Wochen?« fragte ich leise. Bei allem Entsetzen war mir klar, daß ich das am besten für mich behielt. Es wäre viel zu demütigend gewesen, das meinen Mitbewohnerinnen und ihren Freunden mitzuteilen.
    »Ja«, bestätigte die Stimme. Wahrscheinlich hatte der Mann noch einmal nachgedacht. »Zehn Tage, so in dem Dreh.«
    »Vielen Dank.«
    »Wer ist denn am Apparat? Mandy?«
    »Nein«, sagte ich und hatte das Gefühl, im nächsten Augenblick in Tränen auszubrechen.
    Wer zum Teufel war Mandy?
    »Kann ich ihm was ausrichten, falls ich ihn noch mal seh?«
    »Nein, vielen Dank. Auf Wiedersehen.«
    Ich legte auf. Etwas stimmte nicht, das war mir klar. Das war alles nicht normal. Warum hatte mir Gus nicht gesagt, daß er ausgezogen war? Warum hatte er mir nicht seine neue Telefonnummer gegeben? Und wo um Himmels willen mochte er jetzt stecken?
    Daniel war in die Diele gekommen.
    »Großer Gott, was ist denn mit dir los?«
    »Nichts«, sagte ich und bemühte mich zu lächeln.
    Karen kam aus der Küche zurück.
    »Tut mir leid, Lucy Wir warten einfach noch ein bißchen auf ihn.«
    Bitte nicht. Nein, auf keinen Fall. Ich wollte nicht, daß wir weiter warteten. Ich hatte die entsetzliche Ahnung, daß er nicht kommen würde. Ich wollte nicht, daß wir alle dasaßen und die Tür anstarrten, denn dann fiele es erst recht auf, wenn er nicht käme. Es war besser, nicht auf ihn zu warten. Falls er dann doch käme, wäre das um so schöner.
    »Äh, nein, Karen, wir können ohne weiteres anfangen.«
    »Ach was, noch eine halbe Stunde spielt doch keine Rolle.«
    Es war typisch: Ausnahmsweise war Karen freundlich, und gerade

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