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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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und wollte ihn nicht dadurch verscheuchen, daß ich ihn bedrängte. Andererseits mußte er begreifen, daß er mich nicht ungestraft schlecht behandeln konnte.
    In Wahrheit konnte er das durchaus, schließlich hatte er es gerade erst getan. Aber zumindest mußte ich dagegen aufbegehren und so tun, als besäße ich Selbstachtung, immer in der Hoffnung, damit wenigstens ihn täuschen zu können, wenn schon nicht mich selbst.
    Ich mußte ihn unbedingt mit irgendeinem Trick in ein ernsthaftes Gespräch verwickeln, ihm die Erklärung so entlocken, daß er es nicht merkte, denn auf irgend etwas Direktes würde er nicht reagieren.
    Ich mußte ihn mit äußerster Liebenswürdigkeit, zugleich aber mit unerschütterlicher Festigkeit behandeln.
    Lang ausgestreckt lag er auf meinem Bett und las ein Rentenfonds-Angebot meiner Bank. »Ich möchte mit dir reden«, sagte ich zu ihm und bemühte mich, meine Stimme angenehm und zugleich entschlossen klingen zu lassen.
    Ich hatte die Entschlossenheit wohl übertrieben, denn er sagte »Ach je« und machte dazu sein »Ach-je-Gesicht«. Dann sprang er vom Bett und kauerte sich gespielt furchtsam in den Spalt zwischen Kleiderschrank und Wand. »Ich hab Angst.«
    »Komm schon, Gus. Du brauchst dich nicht zu fürchten.«
    »Tu ich auch nicht. Ich hab Angst.«
    »Von mir aus hast du Angst. Aber auch dazu gibt es keinen Grund.«
    Er nahm mich überhaupt nicht ernst. Er schob den Kopf mit den schwarzen Locken vor, und kaum hatte ich seine leuchtendgrünen Augen gesehen, zog er ihn wieder zurück. Dabei hörte ich ihn murmeln »Ach je, ich bin verratzt, mit mir ist es aus, mein letztes Stündlein hat geschlagen, sie macht Hackfleisch aus mir.«
    Dann fing er an, ein Lied zu singen, in dem es darum ging, daß er jedesmal, wenn er Angst hatte, den Kopf aufrecht erhoben trug und ein fröhliches Lied sang, damit niemand merkte... »Ich hab ANGST.«
    »Gus, komm bitte heraus. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben.«
    Ich versuchte zu lachen, um ihm meine gute Laune zu beweisen, aber es fiel mir schwer, geduldig zu bleiben. Es wäre herrlich gewesen, ihn anbrüllen zu können.
    »Komm schon, Gus. Vor mir muß niemand Angst haben, das weißt du genau.«
    »Willst du damit sagen, daß ich Angst vor der Angst hab?« fragte seine körperlose Stimme.
    »Genau«, nickte ich zum Schrank hin.
    »Die Sache ist nur die«, fuhr er fort, »daß ich Angst vor ’ner ganzen Menge Sachen hab.«
    »Damit mußt du aufhören. Bei mir mußt du vor nichts Angst haben.«
    Er kam heraus und machte ein Kleinjungengesicht. »Und du schreist mich nicht an?«
    »Nein.« Ich mußte es ihm versprechen. »Ich schrei dich nicht an. Ich möchte aber wissen, wo du die letzten drei Wochen gesteckt hast.«
    »War das tatsächlich so lange?« fragte er unschuldig.
    »Komm schon, Gus. Das letzte Mal, daß ich von dir gehört hab, war am Dienstag abend vor Karens Party. Was hast du seitdem getrieben?«
    »Dies und das«, sagte er ausweichend.
    »Du kannst nicht einfach drei Wochen untertauchen, ist dir das klar?« Ich sagte es allerdings betont freundlich, damit er sich nicht aufregte, mich zum Teufel schickte und mir sagte, er könne untertauchen, so lange er Lust habe.
    »Wie du meinst«, sagte er. Begierig beugte ich mich zu ihm vor, in der Hoffnung, Schilderungen von Naturkatastrophen und Berichte über das Eingreifen höherer Mächte zu hören. Ich wollte, daß weder ich noch Gus für die dreiwöchige Trennung verantwortlich war.
    »Mein Bruder ist von der Grünen Insel rübergekommen, und wir haben uns ’n bißchen zusammengesetzt.«
    »Und das hat drei Wochen gedauert?« fragte ich ungläubig. Es gefiel mir nicht, daß ich immer wieder von drei Wochen sprach. Ich hätte es umschreiben sollen. Ich wollte nicht, daß er den Eindruck hatte, ich hätte die Tage seit seinem Weggang gezählt, obwohl ja genau das der Fall gewesen war.
    »Ja, hat es«, sagte er, und es klang überrascht. »Wundert dich das?«
    »Ob mich das wundert?« gab ich spöttisch zurück.
    »Ich war oft schon viel länger als drei Wochen verschütt«, sagte er. Es klang verwirrt.
    »Willst du mir sagen, daß du drei Wochen lang versumpft bist?«
    Mit einem Mal erschrak ich über mich selbst. Mir fiel auf, daß ich wie meine Mutter sprach – der Tonfall, der Vorwurf, sogar die Wortwahl, alles war in jeder Beziehung wie bei ihr.
    »Och, das tut mir leid, kleine Lucy«, sagte Gus. »Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Ich hab Karens Party vergessen,

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