Lucy Sullivan wird heiraten
soll ich schuld sein? Ich hab nichts getan«, begehrte ich auf und empfand zugleich Schuld und Angst.
»Doch. Du hast ihn ins Haus gebracht. Ohne dich hätte ich mich nie in ihn verliebt. Aber ich liebe ihn gar nicht, ich hasse ihn!« brüllte sie, lief in ihr Zimmer zurück und warf sich mit dem Gesicht nach unten auf ihr Bett.
Charlotte und ich folgten ihr.
»Hat es was mit Daniel zu tun?« fragte ich Charlotte flüsternd.
»Nimm den Namen nie wieder in den Mund!« kreischte Karen. »Ich will diesen Namen in unserer Wohnung nicht mehr hören.«
»Du weißt doch, daß du hier die alte Jungfer bist?« murmelte mir Charlotte zu. Ich nickte.
»Jetzt bist du nicht mehr allein.«
Es war also zum Bruch zwischen Daniel und Karen gekommen.
»Was ist passiert?« fragte ich Karen freundlich.
»Ich hab mit ihm Schluß gemacht«, schluchzte sie. Dabei griff sie nach einer schon gut halbleeren Flasche Kognak neben ihrem Bett und nahm einen kräftigen Schluck.
»Und warum?« fragte ich bestürzt. Ich hatte angenommen, sie hätte ihn wirklich geliebt.
»Vergiß das nie, Sullivan: Ich hab mit ihm Schluß gemacht, nicht er mit mir.«
»Wie du meinst«, sagte ich nervös. »Aber warum?«
»Weil... weil...« Wieder begannen ihr Tränen über das Gesicht zu laufen.
»Weil... ich hab ihn gefragt, ob er mich liebt, und er hat gesagt... er... er... er...«
Geduldig warteten Charlotte und ich, bis sie fertig war.
»... hat NEIN gesagt«, brachte sie schließlich heraus und begann erneut mit dem entsetzlichen Gejammere.
»Er liebt mich nicht«, sagte sie und warf mir einen verschwommenen Blick aus weidwunden Augen zu. »Soll man das für möglich halten? Er sagt, er liebt mich nicht.«
»Wenn es dir hilft, Karen, ich kann dir nachfühlen, wie das ist. Gus hat erst vor zwei Wochen mit mir Schluß gemacht, weißt du das nicht mehr?«
»Sei doch nicht so blöd«, sagte sie mit belegter Stimme durch ihre Tränen. »Das mit Gus und dir war ja nicht ernst, aber das mit Daniel und mir schon.«
»Ich hab Gus sehr ernst genommen«, sagte ich steif.
»Schön dumm von dir«, sagte Karen. »Jeder konnte sehen, daß er unzuverlässig, flatterhaft und nicht normal war. Aber Daniel hat eine... eine... eine Bombenstellung.«
Erneut schluchzte sie so sehr, daß man ihre Worte nicht verstand. Es lief darauf hinaus, daß Daniel eine eigene Wohnung und einen teuren... etwa Laden ?, ach so, einen teuren Wagen hatte.
»Mir passiert so was nicht«, schluchzte sie. »So war das nicht gedacht.«
»Es passiert uns allen«, sagte ich freundlich.
»Oh nein – mir nicht.«
»Karen, wirklich, es geht uns allen so«, beharrte ich. »Sieh doch, Gus und ich...«
»Hör bloß auf, mich mit dir zu vergleichen!« kreischte sie. »Ich bin ganz anders. Mit dir machen die Männer Schluß« sagte sie, und fügte hinzu, wobei sie zu Charlotte hinüber nickte, »und mit dir auch – aber nicht mit mir. Ich erlaube das nicht.«
Damit war Charlotte und mir der Mund gestopft.
»O Gott«, schluchzte Karen erneut los. »Wie kann ich mich jetzt noch bei meinen Leuten zeigen? Ich hab allen daheim in Schottland von Daniel erzählt und wieviel Geld er hat. Wir wollten hinfahren, und jetzt muß ich die Fahrt selbst bezahlen. Dabei hatte ich die himmlische Jacke bei Morgans kaufen wollen und kann das jetzt nicht mehr. Verdammter Schweinehund!« Wieder griff sie nach der Kognakflasche.
Es war ein sehr alter, teurer Kognak, wie ihn wohlhabende Geschäftsleute einander zu Weihnachten schenken, die Art Kognak, die man eigentlich gar nicht trinken soll, sondern als Prunk- und Schaustück ins Wohnzimmer stellt, eher ein Statussymbol als etwas, das man mit Ginger Ale mischt.
»Woher hast du den Kognak?« fragte ich Karen.
»Aus der Wohnung von dem Schweinehund mitgenommen«, sagte sie boshaft. »Ich hätte viel mehr mitnehmen sollen.« Dann liefen wieder die Tränen.
»Und es ist so eine schöne Wohnung«, klagte sie. »Ich wollte sie herrichten, wollte, daß er das schmiedeeiserne Bettgestell kauft, das ich in Elle Décoration gesehen hab. Er ist ein solcher verdammter Schweinehund.«
»Ja, ja, schon gut.«
»Wir müssen zusehen, daß sie nüchtern wird«, sagte ich.
»Wir könnten ihr was zu essen geben«, regte Charlotte an. »Ich könnte übrigens auch was brauchen.«
Aber wie üblich fand sich außer verdorbenem Magerjoghurt in der ganzen Wohnung nichts Eßbares.
Also gingen wir in die Currykiste und riefen unter den Angestellten Bestürzung und
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