Lucy Sullivan wird heiraten
hä?« sagte Megan eines Tages während der Arbeit voll Munterkeit.
»Möglich«, stimmte ich höflich zu.
»Du willst mir doch nicht sagen, daß du ihn nicht haßt?« fragte sie empört.
»Ich hasse ihn nicht«, sagte ich. »Vielleicht sollte ich, aber ich hasse ihn nicht.«
»Warum nicht?« wollte sie wissen.
»Weil er nun mal so ist«, versuchte ich zu erklären. »Wenn du jemand liebst, mußt du dich damit abfinden, auch das Unzuverlässige an ihm zu lieben.«
Ich rechnete damit, daß mich Megan als kleines Mädchen und Waschlappen verspottete und verhöhnte. Und das tat sie auch.
»Sei doch nicht so blöd«, sagte sie lachend. »Du hast es dir selbst zuzuschreiben. Du hättest dir eben nichts von ihm gefallen lassen dürfen. Tieren wie Gus muß man zeigen, wer Herr im Haus ist. Man muß ihren Willen brechen.« Sie fügte hinzu: »Ich mach das immer so.«
Für jemanden wie Megan mochte das in Ordnung sein. Sie war auf einer Farm, noch dazu einer australischen Farm aufgewachsen und wußte daher alles, was man über das Knechten, Fesseln und Brechen eines Lebewesens wissen muß.
»Ich wollte ihn nicht brechen«, sagte ich. »Wenn er sich angepaßt verhalten hätte, wäre er nicht Gus gewesen.«
»Man kann nicht beides haben«, sagte Megan.
»Ich habe überhaupt nichts«, erinnerte ich sie.
»Ach komm, nimm’s nicht so schwer. Du weinst ihm doch nicht etwa nach, oder?« fragte sie munter.
»Doch«, sagte ich geknickt, denn niemand hat Anlaß, auf einen solchen Mangel an Selbstachtung auch noch stolz zu sein.
»Ach was, das glaub ich nicht«, spottete sie.
»Doch.«
»Ehrlich?« Sie sah mich besorgt an.
»Ja.«
»Aber warum denn?« fragte sie.
»Weil... weil...« Ich rang um Worte. »Weil er so was Besonderes ist. Ich hab noch nie ’nen Mann wie ihn kennengelernt und werd auch nie wieder einen wie ihn... schnief... kennenlernen.«
Meine Stimme zitterte gefährlich, als ich »nie wieder« sagte, aber ich brachte es fertig, mich nicht über meinen Schreibtisch zu werfen und loszuschluchzen.
»Wenn er an deiner Tür auftauchte und dich bitten würde, ihn wieder aufzunehmen, würdest du ihm also verzeihen?« drang Megan weiter in mich.
Mir gefiel nicht, was sie da sagte. Vor meinem inneren Auge stand das verschwommene Bild einer schrecklich unglücklichen Frau, deren Kerl sie schlägt, ihr das Geld stiehlt und mit ihren Freundinnen ins Bett geht.
»Ich bin keine von den Frauen, die den Kerl immer wieder aufnehmen, der sie schlecht behandelt«, sagte ich leise.
»Das ist wirklich komisch«, sagte Megan, »denn du führst dich haargenau auf, als wärst du so eine.«
»Nur wenn es um Gus geht«, erklärte ich. »Ich täte das bei keinem anderen, dem ich je begegnet bin. Gus ist ein Sonderfall. Es ist der Mühe wert, für ihn eine Ausnahme zu machen.«
»Sieht ganz so aus«, sagte sie.
Ich empfand das sonderbare Bedürfnis, sie nach Strich und Faden zu verprügeln.
»Ach was«, sagte sie mit lauter Stimme, offenkundig glänzend gelaunt, »du kommst über ihn weg. In zwei Wochen weißt du nicht mal mehr, wie er hieß und was das alles sollte!«
53
I ch konnte das Kreischen drei Stockwerke tiefer hören, die schrecklichen Laute, wie sie ein gequältes Tier von sich gibt, eine Frau, die in den Wehen liegt oder ein Kind, das sich verbrüht hat.
Etwas Furchtbares mußte passiert sein. Während ich nach oben lief, merkte ich, daß das Klagegeschrei aus unserer Wohnung kamen.
»Ach, Lucy«, keuchte Charlotte, als ich zur Wohnungstür hineinstürmte. »Wie bin ich froh, daß du da bist.«
Sie hatte Glück. Ich war nur nach Hause gekommen, weil außer Barney und Slayer, den beiden Neandertalern aus der Poststelle, niemand bereit gewesen war, nach Feierabend ein Glas mit mir zu trinken.
»Was ist los?« fragte ich entsetzt.
»Es ist Karen«, sagte sie.
»Wo ist sie? Ist sie verletzt? Was ist los?«
Karen kam mit gerötetem und vom Weinen verquollenen Gesicht aus ihrem Zimmer gestürmt und schleuderte ein Glas an die Wand, daß die Scherben überall auf dem Flur umherflogen.
»Der verdammte Schweinehund!« kreischte sie immer wieder.
Es war nicht zu übersehen, daß mit ihr etwas ganz und gar nicht stimmte, aber zumindest schien ihr rein äußerlich nichts zu fehlen, abgesehen davon, daß ihre Haare einen Kamm hätten brauchen können und ihre Kleider durcheinander waren. Sie roch stark nach Alkohol.
Dann sah sie mich.
»Und du bist schuld, Sullivan, verdammtes Luder«, schrie sie.
»Woran
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