Lucy Sullivan wird heiraten
doch das Recht, uns zu treffen.«
»Möglich«, stimmte ich zu. »Aber ich muß mit ihr leben. Du wärest nicht so mutig, wenn sie mit in deiner Wohnung lebte.«
»Ich komm mit rein und nehm sie mir vor«, drohte er.
»Bloß nicht!« rief ich aus. »Das wäre entsetzlich.« Ein wenig ruhiger fügte ich hinzu: »Ich sprech mit ihr, das ist schon in Ordnung.«
58
W ährend ich die von Pfützen übersäte Straße entlanglief und der Regen mich durchnäßte, überlegte ich fieberhaft, was ich Karen sagen sollte, wenn sie mich fragte, wo ich gewesen war. Am einfachsten wäre es natürlich zu lügen, nur würde sie das sofort merken.
Außerdem: Warum sollte ich lügen? Ich hatte nichts Unrechtes getan. Es war mein gutes Recht, mich mit Daniel zu treffen, wir waren schon seit Jahren Freunde, waren es schon gewesen, lange, bevor er Karen kennengelernt hatte, sogar lange, bevor ich Karen kennengelernt hatte.
Das klang alles schrecklich vernünftig, wenn ich es so sagte. Aber ich hatte die Tür noch nicht aufgeschlossen, als mich der Mut schon verließ.
Karen wartete auf mich, ihr Gesicht ein einziges Donnergrollen. Im Aschenbecher auf dem Tisch vor ihr türmten sich die Kippen einen Meter hoch. »Wo zum Teufel hast du gesteckt?«
»Äh...«
Ich hätte gern die Unwahrheit gesagt, aber es war zu sehen, daß sie bereits Bescheid wußte. Woher? Wer hatte das nicht für sich behalten können?
Von Charlotte erfuhr ich später, daß mich Adrian verraten hatte. Als das Pub um zwei Uhr nachmittags schloß, hatten sich Karen und Charlotte ein Video geholt, um ein paar Sonntagnachmittag-Stunden totzuschlagen, und Adrian hatte sie gefragt, wer der »Fuzzi in dem flotten Schlitten« sei, mit dem ich davongefahren war.
»Er sah aus, als würde er jeden Augenblick losheulen«, sagte Charlotte. »Ich glaub, der steht auf dich.«
Es war natürlich meine eigene Schuld. Hätte ich Daniel bei uns in der Wohnung getroffen, statt mich mit Heimlichtuereien abzugeben, hätte niemand etwas gemerkt. Ehrlich währt am längsten. Oder ich hätte meine Spuren gekonnt verwischen müssen.
»Was ist los?« fragte sie mit schriller Stimme. Abgesehen von zwei roten Flecken auf ihren Wangen war ihr Gesicht ganz bleich. Sie sah aus, als hätte sie vor Wut oder Nervosität oder was auch immer den Verstand verloren.
»Nichts ist los«, sagte ich, bestrebt, sie zu beruhigen. Das tat ich nicht nur aus Sorge um meine persönliche Sicherheit, sondern weil ich die Hölle kannte, die eine Frau durchlebt, wenn sie vermutet, daß der Mann, den sie liebt, eine andere gefunden hat.
»Das kannst du mir nicht erzählen.«
»Ehrlich, Karen. Ich hab ihn nur besucht, in aller Unschuld.«
»Unschuld! Der Mann weiß nicht, was Unschuld ist. Und weißt du, wer mir das gesagt hat – du, Lucy Sullivan.«
»Bei mir ist das was anderes...«
Sie lachte bitter. »Ist es nicht. Bild dir bloß nichts ein.«
»Ich bin nicht...«
»Natürlich bist du. So läuft das bei dem – schließlich hat er auch bei mir so getan, als wär ich die einzige auf der Welt.«
»Das meine ich nicht, Karen. Ich will damit sagen, daß es mit mir anders ist, weil er auf mich nicht scharf ist, und ich nicht auf ihn. Wir sind einfach gute Freunde.«
»Tu doch nicht so naiv. Ich hab dich schon immer in Verdacht gehabt. Immer hast du viel zu sehr betont, daß du ihn für nichts Besonderes hältst...«
»Es war nur die Stimme der Vernunft...«
»... und es wäre ihm nicht die Mühe wert, sich mit dir abzugeben, wenn er nicht auch deinen Skalp am Gürtel tragen wollte. Er kann einer Verlockung einfach nicht widerstehen. Bestimmt versucht er, dich rumzukriegen, gerade weil du so tust, als wolltest du nichts von ihm wissen.« Ich machte den Mund auf, aber kein Wort kam heraus.
»Und stimmt es, daß er dich seinen Wagen hat fahren lassen?«
»Ja.«
»Das Schwein – mich hat er in sechs Monaten kein einziges Mal ans Steuer gelassen.«
»Aber du kannst doch gar nicht fahren.«
»Er hätte es mir beibringen können, oder? Wenn er auch nur die Spur Anstand besäße, hätte er es mir beigebracht.«
»Äh...«
»Und hat er ’ne andere?« fragte sie und verzog das Gesicht bei dem Versuch zu lächeln.
»Glaub ich nicht«, sagte ich beschwichtigend. »Mach dir da keine Sorgen.«
»So weit kommt’s noch«, sagte sie höhnisch. »Warum sollte ich? Schließlich hab ich mit ihm Schluß gemacht.«
»Natürlich.« Es war nicht einfach, darauf eine Antwort zu finden.
»Wie kannst du nur so
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