Lucy Sullivan wird heiraten
mich zu bügeln, könnte ich das unmöglich ablehnen.«
»Lucy, ich bin gern bereit, im Tausch gegen sexuelle Gefälligkeiten für dich zu bügeln«, sagte Daniel mit todernstem Gesicht.
»Ich hab vielleicht vergessen zu sagen, jeder außer dir«, korrigierte ich mich.
»Aber Lucy, ich mach gern Hausarbeit«, sagte er.
Ich warf ihm einen empörten Blick zu. »Und du sagst, ich wäre komisch.«
»Ist doch gar nicht wahr«, sagte er und sah gekränkt drein.
»Nein?« fragte ich überrascht.
»Das müßtest du aber... Also ich zum Beispiel kann Hausarbeit nicht ausstehen. Ich stell mir die Hölle so vor, daß man die ganze Bügelwäsche für den Teufel erledigen muß. Und staubsaugen – das ist in meinen Augen die schlimmste aller Arbeiten im Haushalt. Ich bin davon überzeugt, wenn ich in die Hölle komm – und ich seh weit und breit nichts, was dagegen spricht –, muß ich sie jeden Tag von vorne bis hinten staubsaugen.« Ich fügte hinzu: »Mein Standpunkt ist: Staub bist du, und Staub sollst du bleiben.«
Daniel lachte. Gott sei Dank, dachte ich. Er war völlig gegen seine Gewohnheit die ganze Zeit hindurch ernst gewesen.
»Komm mal her«, sagte er und legte den Arm um mich. Eine leichte Furcht beschlich mich, dann aber merkte ich, daß er mich lediglich durch das Zimmer zum Sofa schob.
»Wolltest du nicht flach liegen?«
»Ja.«
»Das ist der ideale Ort dafür.«
»Und was ist mit der versprochenen Schokolade?« fragte ich, denn ich wollte mich nicht mit leeren Zusagen abspeisen lassen. Flach liegen ohne Schokolade ist nichts wert. Schokolade ist am besten, wenn man sie liegend genießt.
»Kommt sofort.« Er ging hinaus, um sie zu holen.
An jenem Tag Ende August schlug das Wetter um. Zwar war es nicht mehr drückend heiß, doch immer noch so warm, daß alle Fenster in Daniels Wohnzimmer offenstanden.
Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, wurde mit einem Mal aus der leichten Brise ein heftiger Wind, das Rascheln in den Blättern der Bäume lauter, der Himmel verfinsterte sich, und wir hörten das erste unheildrohende Grummeln eines näherziehenden Gewitters.
»War das Donner?« fragte ich hoffnungsvoll.
»Hat sich ganz so angehört.«
Ich rannte zum Fenster und lehnte mich hinaus. Der Wind trieb eine Chipstüte über den Bürgersteig, die wahrscheinlich den ganzen Sommer hindurch dagelegen hatte. Binnen Sekunden fing es an zu regnen, und die Welt hatte ein anderes Gesicht.
Straßen und Gärten waren nicht mehr gelblich, staubstumpf und trocken, sondern mit einem Mal von glänzendem Dunkelgrau, und das leuchtende Grün der Bäume hatte sich schlagartig in Schwärze verwandelt. Es war herrlich.
Die Luft war kühl und roch aromatisch nach Grün. Der Duft des nassen Grases stieg zu mir auf, während ich mich gefährlich weit hinauslehnte.
Von Zeit zu Zeit fielen mir so große Regentropfen auf das Gesicht, daß ich fast eine Gehirnerschütterung davon bekommen hätte.
Ich liebte Gewitter – nur bei Gewitter empfand ich inneren Frieden. Der ganze tobende Aufruhr schien mich zu beruhigen.
Offenbar lag das nicht nur daran, daß ich ein wenig sonderbar war – es gab dafür auch eine wissenschaftliche Erklärung. Bei einem Gewitter ist die Luft voller negativ geladener Ionen, und wenn ich auch nicht sicher bin, was das ist, so weiß ich, daß man sich in ihrer Anwesenheit gut fühlt. Nachdem ich dahintergekommen war, hatte ich mir sogar ein Ionisierungsgerät gekauft, um jederzeit selbst die Auswirkungen eines Gewitters erzeugen zu können. Aber die Ergebnisse waren nichts im Vergleich mit der Wirklichkeit.
Wieder grollte der Donner, es blitzte und bläulich-silbriges Licht erfüllte das Zimmer. In diesem kurzen Aufzucken wirkten Daniels Tisch, Stühle und andere Gegenstände wie aufgeschreckt, wie Menschen, die davon aufwachen, daß jemand unverhofft das Licht im Schlafzimmer einschaltet.
Der Regen stürzte herab, und ich konnte das Donnergrollen tief in meinem Inneren spüren.
»Ist das nicht sagenhaft?« sagte ich und wandte mich lächelnd zu Daniel um. Er stand etwa einen Meter von mir entfernt und sah mich reglos und mit sonderbarer Neugier an.
Sofort fühlte ich mich unbeholfen. Offensichtlich hielt er mich für verrückt, weil ich den Wolkenbruch genoß.
Dann hörte er auf, mich merkwürdig anzustarren und lächelte.
»Ich hatte ganz vergessen, daß du Regen schon immer gern hattest«, sagte er. »Du hast mir mal gesagt, wenn es regnet, hast du das Gefühl, daß dein
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