Lucy Sullivan wird heiraten
Unterschied gemacht, wenn Nick nicht mehr imstande gewesen wäre, sich seiner Zeugungsorgane zu bedienen. Solange wir zusammen waren, war er meist viel zu betrunken gewesen, um einen hochzukriegen. Hätte man ihm nicht eines Tages früh am Samstagabend die Geldbörse gestohlen, unsere Beziehung wäre wohl nie bis zur letzten Intimität gediehen.
Charlotte fuhr fort: »Und jetzt, wo du weißt, warum du immer auf die falschen Kerle reinfällst, wirst du es nicht mehr tun.« Sie strahlte mich an. »Du wirst betrunkenen Nassauern wie Gus sagen, daß sie sich verziehen sollen, den Richtigen kennenlernen und glücklich und zufrieden mit ihm leben!« Ich konnte ihr strahlendes Lächeln nicht erwidern.
»Auch wenn ich weiß, warum ich auf die Falschen reinfalle, bedeutet das nicht zwangsläufig, daß ich es nicht mehr tun werde«, lachte ich verzweifelt.
»Unsinn«, erklärte sie.
»Ich könnte bösartig und verbittert werden und Männer hassen, die trinken.«
»Nein, Lucy, du wirst zulassen, daß dich ein Mann liebt, der deiner würdig ist«, zitierte sie. »Kapitel zehn.«
»Aber zuerst muß ich mir abgewöhnen, was ich ein ganzes Leben lang getan hab...« Immerhin hatte ich das Buch auch gelesen. »Kapitel zwölf.« Mein Undank ärgerte sie.
»Warum bist du nur so schwerfällig?« fragte sie. »Du weißt gar nicht, wie großes Glück du hast. Ich würde alles darum geben, eine kaputte Familie zu haben.«
»Glaub mir, Charlotte, das tätest du nicht.«
»Doch.« Sie war nicht davon abzubringen.
»Warum denn nur, um Gottes willen?« Ich regte mich immer mehr auf.
»Überleg doch: Wie kann ich erklären, warum meine Beziehungen in die Binsen gehen, wenn mit mir und meiner Familie alles in Ordnung ist? Ich kann die Schuld auf nichts und niemand schieben und muß sie bei mir selbst suchen.« Sie sah mich neidisch an. »Du hältst meinen Vater wohl nicht für einen Tyrannen?« fragte sie hoffnungsvoll.
»Nein«, sagte ich. »Ich kenne ihn nicht besonders gut, aber er scheint mir doch sehr nett zu sein.«
»Und du meinst wohl auch nicht, daß er untüchtig und führungsschwach ist und deswegen dazu herausfordert, ihn nicht zu achten?« Sie las die Punkte aus dem Buch ab.
»Im Gegenteil«, sagte ich. »Es kommt mir ganz so vor, als respektierte man ihn sehr.«
»Würdest du ihn für jemand halten, der unbedingt alle Fäden in der Hand halten muß?« Es klang fast flehend. »Für melagoman?«
»Es heißt megaloman. Nein, an Größenwahn leidet er wohl auch nicht. Tut mir leid«, fügte ich hinzu. Sie war erkennbar verärgert.
»Lucy, ich weiß, daß du eigentlich nichts dazu kannst, aber du hast dir das alles ausgedacht...«
»Was hab ich mir ausgedacht?« fragte ich, bereit, in die Luft zu gehen.
»Nun, nicht gerade ausgedacht«, machte sie einen Rückzieher, »aber ohne dich wüßte ich von all dem nichts. Du hast mir das in den Kopf gesetzt«, sagte sie beleidigt.
»In dem Fall hätte ich einen Orden verdient«, murmelte ich.
»Das ist gemein«, sagte sie, und Tränen traten ihr in die Augenwinkel, die nur auf das Kommando ›Losheulen!‹ zu warten schienen.
»Entschuldige«, sagte ich. Die arme Charlotte. Wie schrecklich, wenn die eigene Intelligenz gerade ausreicht, zu begreifen, wie entsetzlich dumm man ist.
Wie gewöhnlich dauerte ihre Niedergeschlagenheit auch diesmal nicht lange. »Erzähl mir noch mal, wie du Gus gesagt hast, er soll sich verpissen«, verlangte sie aufgeregt. Das tat ich, nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal. »Und wie hast du dich da gefühlt?« fragte sie. »Mächtig? Wie eine Siegerin? Könnte ich das doch mit dem Schwein Simon tun.«
»Hast du in letzter Zeit mit ihm gesprochen?«
»Ich war am Dienstag abend mit ihm im Bett.«
»Ja, aber hast du kürzlich mit ihm gesprochen?«
»Eigentlich nicht.« Darüber mußte sie lachen. »Ach, ich bin richtig froh, daß du wieder da bist«, seufzte sie. »Du hast mir so gefehlt.«
»Du mir auch.«
»Und jetzt, wo du wieder da bist, können wir uns über Siegfried Freund unterhalten.«
»Meinst du Sigmund Freud?«
»Na ja, jedenfalls hab ich gelesen, daß dieser Freud sagt...«
»Charlotte, was treibst du da eigentlich?«
»Ich üb für die Party am Samstag.« Mit einem Mal klang sie bitter. »Ich hab es bis obenhin satt, daß mich alle Männer für blöd halten, nur weil ich große Titten hab. Denen werd ich’s zeigen. Ich werd ihnen diesen Siegfried Freund um die Ohren hauen, ich meine Sigmund Freud. Wahrscheinlich
Weitere Kostenlose Bücher